Freitag, 10. Dezember 2010

Verantwortung

Die-Welt
Rahner schreibt: „Und wenn wir in Wahrheit bekennen müssen, dass wir verantwortlich sind, ohne aus dieser Verantwortung uns noch einmal herausstehlen zu dürfen, dann bleibt es eben doch noch einmal wahr, dass diese unsere bleibende Verantwortung von Gott selbst verantwortet werden muss und verantwortet werden wird, auch wenn wir nicht wissen, wie das möglich ist.“
„So weiß der christliche Glaube von „dem geheimnisvollen Ziel, das aber schöpferische Freiheit und schöpferisch antwortende Freiheit des Menschen einschlieβt. Erst dort, wo man sich als freies Subjekt vor Gott verantwortlich erfährt und diese Verantwortung übernimmt, begreift man, was Eigenständigkeit ist und dass sie im selben Maße wächst und nicht abnimmt mit der Herkünftigkeit von Gott. Nur an diesem Punkt geht uns auf, dass der Mensch in einem selbständig und von seinem Grunde her abhängig ist.“
Und Albert Camus schreibt, dass der Mensch auch eine Verantwortung jenseits der geschichtlichen Absolutheitsansprüche zu tragen hat. „Diejenigen schlieβlich führen die Geschichte voran, die im gegebenen Moment sich auch gegen sie aufzulehnen wissen. Das setzt eine ununterbrochene Spannung voraus und die angestrengte Heiterkeit. Aber das wahre Leben ist im Innern dieser Zerrissenheit gegenwärtig. Es ist selbst diese Zerrissenheit, der Geist über Vulkanen von Licht schwebend, der Wahn der Rechtlichkeit, die aufreibende Unnachgiebigkeit des Maβes. Was uns am Ende dieses langen Abenteuers der Revolte entgegenklingt, sind nicht optimistische Formeln, sondern Worte des Muts und des Geistes, die, nahe dem Meer, sogar Tugend sind.“
So plädierte er dafür, sich „der Zeit seines Lebens anzuvertrauen, dem Haus, das man verteidigt, der Würde der Lebenden“, denn wer dieses tut, „der vertraut sich der Erde an und erhält die Ernte, die er von neuem sät und die ihn ernährt.“
„Und Karl Rahner stellte die Frage“, führte Marwin an, „ob wir versuchen wollen, bloβ durch partikuläre Sinnerfahrungen im Leben weiterzumachen, wie auf einer Wüstenwanderung durch ein paar Oasen hindurch, um dann letztlich doch in der leeren Wüste zu verdursten, oder ob wir unser konkretes Leben von der hoffenden Überzeugung eines letzten Sinnes von unendlicher Verheiβung und radikaler Verantwortung zugleich gestalten. Es hat einen Sinn, vom Sinn zu reden, und dieser beredete Sinn ist nicht bloβ in den paar kleinen Sinnhaftigkeiten da, denen wir auf dem Weg unseres Lebens mit all seinen Absurditäten begegnen. Dieser Sinn ist unendlich und unumfassbar; er ist unser Sinn und heiβt Gott.“
So kommt es Karl Rahner darauf an, in Glaube, Hoffnung und Liebe, in Sehnsucht nach der Ewigkeit, in der Geduld des Kreuzes, in der Fröhlichkeit des Herzens sein Leben zu gestalten.

„Albert Camus schreibt in seinen Tagebüchern: „Man kann sehr wohl ohne den Katholizismus leben. Ich könnte nicht leben, ohne an Christus zu denken,“ führte Orélie das Gespräch weiter.
„Doch sollte ein Christ seinen Glauben als ein Mitglied seiner Kirche leben. In einem Vortrag, den Albert Camus im Jahr 1948 in dem Dominikanerkloster von Latour-Maubourg hielt, betonte er, dass ein Geistlicher zu seiner Kirche gehöre und sich nicht aus dieser seiner Verantwortung wegstehlen dürfe. Camus sagte: „Kürzlich hörte ich in der Sorbonne, wie ein katholischer Priester sich an einen marxistischen Redner wandte und öffentlich versicherte, auch er sei antiklerikal. Wohlan, ich liebe keine Priester, die antiklerikal sind, wie ich auch keine Philosophien liebe, die sich ihrer selbst schämen. Ich werde also nicht versuchen, mich vor Ihnen als Christ zu gebärden. Ich werde nicht versuchen, irgend etwas an meinen oder Ihren Gedanken zu ändern, um eine uns allen wohlgefällige Versöhnung der Standpunkte herbeizuführen. Vielmehr möchte ich Ihnen heute sagen, dass die Welt ein echtes Zwiegespräch nötig hat, dass das Gegenteil eines Dialogs ebenso gut Lüge heiβt wie Schweigen und dass ein Zwiegespräch deshalb nur zwischen Menschen möglich ist, die das bleiben, was sie sind, und die wahr sprechen. Mit anderen Worten: die heutige Welt verlangt von den Christen, dass sie Christen bleiben.“
„Karl Rahner, der sich als ein katholischer Theologe verstand, sah das ebenso“, sagte Orélie darauf, „aber er gestand gleichzeitig, dass es für einen Christen oftmals schwer ist, in der Kirche das Evangelium zu leben. Rahner schreibt: „Die Geschichte der christlichen Kirche kennt Schreckliches und Erbärmliches zur Genüge, so dass am Schluss nur die Frage bleibt: Wohin sollten wir sonst gehen, wenn wir aus der Kirche auszögen? Könnten wir dann dem befreienden Geist Jesu treuer sein? Dieser Erbärmlichkeit lässt sich doch für unseren Teil nur abhelfen, indem wir die Last der Armseligkeit mittragen, an der ein jeder ja auch selbst schuldig ist. Als Christ trägt man in der Kirche die Verantwortung mit, diese Kirche von innen zu ändern.“
„Doch sollte die Kirche ihrerseits sich dazu verpflichtet fühlen, der Kirchenbasis offen zu begegnen, ihre Belange ernst zu nehmen und ihre Mitarbeit zu fördern. Die Kirche darf keine Kirche sein, die, wie Karl Rahner schreibt, „einem Kirchenvolk vor – gesetzt ist und ihm gegenüber – steht.“

„In seinem Theaterstück Der Belagerungszustand”, fuhr Marwin fort, „macht Albert Camus deutlich, dass in jedem menschlichen Zusammenleben Grenzen anerkannt werden müssen, und so lässt er den Chor sagen: „Nein, es gibt keine Gerechtigkeit, aber es gibt gewisse Grenzen. Und die einen, die keine Ordnung schaffen wollen, und die anderen, die alles in eine Ordnung zu pressen versuchen, überschreiten sie gleichermaβen.“
„Der christliche Philosoph Gabriel Marcel warf in einem in den Nouvelles Littéraires erschienenen Artikel Albert Camus vor, für dieses Theaterstück,das den Totalitarismus anprangert, Spanien und kein osteuropäisches Land gewählt zu haben. Auch verwehrte er sich gegen die sehr negative Darstellung der katholischen Kirche, und er unterstellte Camus einen Mangel an Mut und Ehrlichkeit. Albert Camus antwortete in der Zeitschrift Combat vom Dezember 1948 auf diese Anklagen: „Warum Guernica, Gabriel Marcel? Warum jenes Stelldichein, wo Hitler, Mussolini und Franco, einer noch in ihrem Komfort und ihrer armseligen Moral dösenden Welt spottend, zum erstenmal Kindern vor Augen führten, was totalitäre Technik ist? Das Blut der Unschuldigen floss damals inmitten eines lauten Pharisäergeschwätzes. Welche Gründe der Antikommunismus auch haben mag, und ich kenne triftige Gründe dafür, so können wir doch diese Einstellung nicht akzeptieren, solange sie in ihrer Ausschlieβlichkeit so weit geht, jene Ungerechtigkeit zu vergessen, die mit dem stillen Einverständnis unserer Regierenden weiterdauert. Ich habe so laut wie möglich gesagt, was ich von den russischen Konzentrationslagern halte. Aber darüber vergesse ich Dachau und Buchenwald nicht und nicht den namenlosen Todeskampf von Millionen von Menschen, so wenig wie die grauenvolle Unterdrückung, die die spanische Republik heimgesucht hat.“
Camus wies in diesem Artikel auch darauf hin, dass Spanien unter Franco republikanisch und antifaschistisch eingestellte Menschen an Hitlerdeutschland auslieferte. Und das Verhalten der katholischen Kirche in Spanien betreffend schreibt Albert Camus:
„Und wenn ich sie widerlich gestaltet habe, so liegt der Grund darin, dass in den Augen der Welt die Rolle der spanischen Kirche widerlich war. So hart diese Wahrheit Sie auch treffen mag. Und die gesamte Kirche wäre in dieses unglaubliche Ärgernis der spanischen, die Hinrichtungsgewehre segnenden Bischöfe verwickelt worden, hätten nicht in den ersten Tagen schon zwei groβe Christen ihre Stimmen erhoben: Bernanos, der heute tot ist, und José Bergamin, der aus seiner Heimat verbannt wurde. Bernanos wusste, dass der meine Szene beschlieβende Satz „Christen Spaniens, man hat euch im Stich gelassen“ keine Beleidigung für ihren Glauben darstellt. Er wusste, dass ich mit anderen Worten oder mit meinem Schweigen vielmehr die Wahrheit beleidigt hätte.“
Und schließlich bekräftigte Camus, dass er sich mit den Menschen, die leiden, solidarisch fühlt und den Geknechteten seine Stimme leihen will.
„Hier ist auch Karl Rahner einzureihen, der von sich sagte, dass er in seiner Arbeit des Theologen ein Mensch, ein Christ und, so gut es geht, ein Priester der Kirche sein wollte. Und er schreibt: „Die Kirche hat schon oft mehr zu den Mächtigen gehalten und sich zu wenig zum Anwalt der Armen gemacht, sie hat schon oft ihre Kritik an den Mächtigen dieser Erde zu leise gesprochen, so dass es mehr so aussah, als wolle sie sich ein Alibi besorgen, ohne wirklich in Konflikt mit den Groβen dieser Welt zu kommen. Sie hält es oft mehr mit dem bürokratischen Apparat der Kirche als mit dem Enthusiasmus ihres Geistes, sie liebt oft mehr die Ruhe als den Sturm, das Altbewährte mehr als das kühne Neue. Sie hat in ihren Amtsträgern oft schon Unrecht an Heiligen, an Denkern, an schmerzlich Fragenden, an ihren Theologen getan, die ihr nur selbstlos dienen wollten.“
Und so betonte Karl Rahner die Notwendigkeit, „dass wir uns immer geängstigt fragen müssen, ob die Kirche nicht in ängstlicher Introvertiertheit mehr an sich als an die anderen denke, dass wir als einzelne Christen mutig Protest, unter Umständen sogar gegen die Amtsträger der Kirche erheben müssen, wo die Kirche mehr an sich selber denkt und sich anders selber zu retten sucht als durch die Rettung der anderen.“
„Albert Camus hob in seiner Rede in dem Dominikanerkloster von Latour-Maubourg genauso die Dringlichkeit für die Kirche und die Christen hervor, ihren Mund aufzumachen und das Unrecht anzuprangern. Er sagte: „Während jener Jahre des Schreckens habe ich lange Zeit darauf gewartet, dass sich in Rom eine laute Stimme erhöbe. Ich, der Ungläubige? Eben deshalb. Denn ich wusste, dass der Geist verlorengehen musste, wenn er angesichts der Gewalt nicht den Schrei der Verdammung ausstieβ. Es heiβt, diese Stimme sei laut geworden. Aber ich schwöre Ihnen, dass Millionen Menschen wie ich selbst sie nicht gehört haben und dass sich deshalb in allen Herzen, ob gläubig oder ungläubig, eine Einsamkeit einnistete, die immer weiter um sich griff, je mehr Zeit verstrich und je zahlreicher die Henker wurden. Seither wurde mir erklärt, die Verdammung sei wirklich und wahrhaftig erfolgt, aber in der Sprache der Enzykliken, und diese Sprache ist nicht klar. Die Verdammung war ausgesprochen worden, und sie wurde nicht verstanden! Wer spürte hier nicht, wo die wirkliche Verdammung liegt, wer sähe nicht, dass dieses Beispiel einen Teil der Antwort, vielleicht die ganze Antwort, die Sie von mir erwarten, bereits in sich birgt? Die Welt erwartet von den Christen, dass sie den Mund auftun, laut und deutlich, und die Verdammung ganz unmissverständlich aussprechen, damit nie auch nur der geringste Zweifel im Herzen des einfachsten Mannes zu keimen vermag; dass sie sich aus der Abstraktion befreien und dem blutüberströmten Gesicht gegenübertreten. Die Vereinigung die uns nottut, ist eine Vereinigung von Menschen, die gewillt sind, eine klare Sprache zu sprechen und sich mit ihrer Person einzusetzen.“
„Karl Rahner bedauerte,“ antwortete Marwin, „dass die Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus sich in erster Linie nur um ihre eigenen Belange kümmerte. Er schreibt: „Gerade und vor allem die Amtsträger und die Kleriker überhaupt leiden unter einer ekklesiologischen Introvertiertheit. Sie denken an die Kirche und nicht an die Menschen. So kam es dazu, dass wir in der Zeit des Nationalsozialismus doch erheblich mehr an uns selbst, an den Bestand der Kirche und ihrer Institutionen gedacht haben als an das Schicksal der Juden.“

„Am 28. Februar 1965 wies Rahner auf einer Tagung in Paris in seinem Vortrag über „den gegenwärtigen Stand der katholischen Theologie in Deutschland“ darauf hin, wachsam zu bleiben und sich nicht durch einen behaglichen Wohlstand einschläfern zu lassen. Er sagte: „Die heutige katholische Theologie in Deutschland ist noch zu sehr eine Theologie, die bei aller Echtheit des Religiösen und bei allem guten Willen in Gefahr ist, die Theologie einer Wohlfahrtsgesellschaft zu sein, die sich nicht gerne beunruhigen lässt. Das Milieu dieser Theologie in Deutschland ist nun einmal restaurativ und bürgerlich beruhigt. Die Schrecken der Vergangenheit, die vollbrachten und die erlittenen, sucht man zu verdrängen; man vermeidet es, zu weit in die Zukunft vorausblicken zu wollen, man freut sich ein wenig zu unbekümmert an der angenehmen Gegenwart.“
„Was den materiellen Wohlstand betrifft“, sagte Orélie, „zog Albert Camus eine Grenzlinie zwischen dem materiellen Fortschritt für alle und dem Reichtum. Und auf der Grenzlinie zum Reichtum ist die Verantwortung angesiedelt. Camus schreibt: „Die Fortschritte der materiellen Lebensbedingungen verbessern mehr als notwendig und in einem sehr groβen Maβ das menschliche Wesen. Aber jenseits von diesem Maβ, mit dem Reichtum, schaden sie ihm.“
„Lass uns noch ein paar Zitate von Albert Camus und Karl Rahner anführen, damit wir uns noch einmal klar werden, was es für sie hieβ, seiner Verantwortung nachzukommen,“ lieβ Marwin verlauten.
Orélie erklärte sich mit dem Vorschlag einverstanden und sagte: „Im Hinblick auf den von Jesus Christus als Vorbild genannten barmherzigen Samariter, der den unter Räuber gefallenen, verletzten und ausgeraubten Mann in die nächste Herberge bringt und dem Wirt Geld für die Pflege des Verwundeten gibt, schreibt Karl Rahner: „Der Mann im Evangelium, der vor Jericho den Verwundeten aufnimmt, hat eben nicht gesagt: Da soll die Polizei kommen, oder den soll dieser Priester auflesen, der mehr Zeit hat als ich, und wenn diese es nicht tun, warum soll ich gerade diese Verpflichtung übernehmen? Ich bin konkret der, der vor dieser Verantwortung nicht flüchten darf, das gehört in mein Leben hinein.“
„Und Albert Camus sagte von sich, er wäre einsam und solidarisch. Die Zeit war ihm äuβerst kostbar“, erklärte Marwin, „in seinen Tagebüchern schreibt er: „Die einzige Angst, die mich bedrückt, ist das Gefühl, dass dieser ungreifbare Augenblick mir durch die Finger rinnt wie Quecksilberperlen. Kümmert euch doch nicht um die Leute, die sich von der Welt abkehren wollen. Ich kann sagen, dass es einzig darauf ankommt, menschlich zu sein, einfach. Nein, es kommt darauf an, wahr zu sein, und dann ergibt sich alles von selber, die Menschlichkeit und die Einfachheit. Und wann bin ich wahrer und lauterer, als wenn ich die Welt bin? Man vermeint, von der Welt geschieden zu sein, aber es genügt, dass ein Olivenbaum im goldenen Staub aufragt, es genügt, dass ein paar Flecken Strand in der Morgensonne aufblitzen, damit man diesen Widerstand in sich dahinschmelzen fühlt. So ergeht es mir. Ich werde mir der Möglichkeiten bewusst, für die ich verantwortlich bin. Jede Minute des Lebens trägt in sich ihren Wert als Wunder und ihr Gesicht ewiger Jugend.“
„Ja“, antwortete Orélie, „und einige dieser Sätze finden sich auch in seinem Essay Licht und Schatten, in dem Albert Camus auch deutlich macht, dass er die Licht- und Schattenseite der Welt nicht aus den Augen verliert, und er keine Auswahl zwischen der einen oder anderen Seite treffen will. Er schreibt: „Der wahre Mut besteht immer noch darin, die Augen weder vor dem Licht noch vor dem Tod zu verschlieβen. Ich hänge an der Welt mit meinem ganzen Tun, an den Menschen mit meinem ganzen Mitleid und meiner Dankbarkeit. Zwischen dieser Licht- und dieser Schattenseite der Welt will ich nicht wählen.“
„Und Karl Rahner“, sagte Marwin, „schreibt zu dem Verdienst des Menschen: „Wenn es bleibendes Verdienst gibt, dann heiβt es: das Leben des Menschen versickert nicht in der Leere der Vergangenheit; der Mensch lebt seine Gegenwart nicht, um die Möglichkeit seiner Zukunft in bloβe Gewesenheit hineinzuverschlingen. Verdienst ist nicht nur ein Titel, den sich Gott merkt. Das Buch des Lebens sind wir selber in dem, was wir geworden sind; das Gericht Gottes ist die Enthüllung dessen, was wir sind, freilich eine Enthüllung, die nur Gott selbst vornehmen kann.“
Der Abend war längst angebrochen, und es begann schon zu dunkeln. So kamen Orélie und Marwin auf dem schmalen Weg nur Schritt für Schritt voran. Doch allmählich lichtete sich der Wald, und bald erkannten sie in der Ferne die pulsierende Stadt mit ihren gigantischen Hochhäusern, leuchtenden Werbeplakaten und Straßen mit regem Verkehr. Der Waldspazierung war zu Ende, aber die unvermeidliche Verantwortung war ihnen geblieben.

Samstag, 27. November 2010

Vorwort

Karl_Rahner_Albert_Camus_Christa_Duris
Liebe Leserinnen und liebe Leser,


Gespräche: Karl Rahner und Albert Camus

Meinem Blog, in dem ich mich Karl Rahner und Albert Camus widme, stelle ich ein Zitat des Schriftstellers Franz Werfel voran.
Nach dem „Anschluss" Österreichs im Jahr 1938 hielt sich Franz Werfel in der Nähe von Lourdes auf, und er legte das Gelübde ab, einen Roman über die heilige Bernadette zu schreiben, falls es ihm gelänge, in die USA zu flüchten. Die Flucht gelang ihm. Und in dem Vorwort zu seinem Buch Das Lied von Bernadette, das 1941 erschienen ist, schreibt er: „Ich habe es gewagt, das Lied von Bernadette zu singen, obwohl ich kein Katholik bin, sondern Jude. Den Mut zu diesem Unternehmen gab mir ein weit älteres und viel unbewussteres Gelübde. Schon in den Tagen, da ich meine ersten Verse schrieb, hatte ich mir zugeschworen, immer und überall durch meine Schriften zu verherrlichen das göttliche Geheimnis und die menschliche Heiligkeit - des Zeitalters ungeachtet, das sich mit Spott, Ingrimm und Gleichgültigkeit abkehrt von diesen letzten Werten unseres Lebens."

Es kann mit gutem Recht gefragt werden, warum ich den Konzilstheologen Karl Rahner und den Literaturnobelpreisträger Albert Camus ausgewählt habe. Natürlich lese ich die beiden sehr gerne. Doch unterscheiden sie sich in vielem, was auch ihr Leben bezeugt. Warum bringe ich sie dennoch in von mir gewählten Gesprächen zusammen? In ihrem Leben sind sie sich nicht begegnet, und so konnte es zu keinem Gespräch zwischen ihnen kommen, obwohl ein solches möglich gewesen wäre, da Karl Rahner am 5. März 1904 und Albert Camus am 7. November 1913 geboren wurde.
Die beiden sahen sich also mit den geschichtlichen und sozialen Ereignissen des zwanzigsten Jahrhunderts konfrontiert.
Aber diese Begebenheit ist nicht entscheidend für meine Wahl gewesen. Den Ausschlag für diese gaben die Fragen, die von Albert Camus und Karl Rahner gestellt wurden und die über den zeitgeschichtlichen Rahmen hinausgehen. Es sind Fragen, um die kein Mensch herumkommen kann, weil sie unabhängig von jedem Zeitalter ihre wesentliche Tiefe und Gültigkeit besitzen. Der Philosoph und der Theologe fragten nach dem Leid, dem Tod, dem Absurden, dem Glauben, der Schuld, der Freiheit, der Verantwortung, das heißt sie stellten die Frage nach dem Dasein des Menschen. Sie fragten nach den letzten Werten unseres Lebens. Und sie gaben Antworten. Die von Karl Rahner und Albert Camus gestellten Fragen und von ihnen darauf gegebenen Antworten werden durch Zitate wiedergegeben, und diese Zitate machen das Wesentliche meines Blogs aus.
Karl Rahner verstand sich als ein Mann seiner Kirche und seines Ordens und gleichzeitig immer als Seelsorger. Er trat mit achtzehn Jahren in den Jesuitenorden ein. Und er hat an den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils entscheidend mitgewirkt.
Albert Camus war kurze Zeit in der kommunistischen Partei, schloss sich im Zweiten Weltkrieg der Résistance an und versuchte, im Algerienkonflikt zu vermitteln. Er arbeitete auch als Redakteur und darauf als Chefredakteur der Zeitschrift Combat.
Jedoch werde ich auf das gezeigte gesellschaftliche und politische Engagement von Albert Camus und Karl Rahner in meinem Blog nicht eingehen. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass aus ihren zahlreichen Stellungnahmen hervorgeht, dass es ihnen nie um ihre eigene Person oder darum ging, das letzte Wort zu behalten. Es ging ihnen um die jeweilige Sache, die ihnen am Herzen lag und für die sie sich einsetzten. So schreibt Albert Camus zur Zeit des Algerienkriegs in einem Brief an den kabylischen Dichter und Journalisten Jean Amrouche: Es gibt keine persönlichen Fragen, die uns trennen könnten. Was sind sie schon angesichts der Dinge, die sich vorbereiten? Du hast das Recht, die Standpunkte der F.L.N. zu wählen. Ich für mein Teil finde, dass sie für die Gegenwart mörderisch und für die Zukunft blind und gefährlich sind. Ich habe darauf verzichtet, öffentlich eine Stimme der Vernunft laut werden zu lassen. Aber unter uns muss ich Dir meine Reaktion sagen, und Du darfst eines nicht übersehen: Wenn man auf die Franzosen Algeriens im allgemeinen und als solche genommen schießt oder rechtfertigt,dass man schießt, dann schießt man auf die Meinen, die allezeit arm waren und ohne Hass und die nicht in eine ungerechte Revolte verwickelt werden dürfen. Ich bin sicher, dass Du in dieser aufrichtigen Sprache ein Echo der brüderlichen Beziehungen der Vergangenheit wiederfinden wirst. Mögen sie Dich dazu bewegen, im Sinn der Beschwichtigung und der Einigung zu wirken und nicht im Sinn der brudermörderischen Trennung, diesen Wunsch hegt von ganzem Herzen Dein Bruder von gleicher Geburt unter dem gleichen Himmel."
Und Karl Rahner wurde aus Anlass seines siebzigsten Geburtstages in einem Interview mit der Herder Korrespondenz gefragt: „Wie sehen Sie heute, in einigem Abstand zum Konzil und zur unmittelbaren Nachkonzilszeit, in der Rahnerische Theologie sich über Deutschland hinaus zweifellos am breitesten durchgesetzt hat, Wirkungen und Rückwirkungen in Deutschland und in der Gesamtkirche?"
Karl Rahner antwortete darauf: „Darüber muss ich das Urteil im wesentlichen anderen überlassen. Selbstverständlich inauguriert man gewisse Dinge, aber ihre Fernwirkungen sind eben jeweils nicht vorauszusehen. Die einen werden sagen, ich habe etwas Kolossales inauguriert, und sie werden das positiv beurteilen. Andere werden sagen, ich habe Dinge angestoßen, die zur Verwirrung, zum Durcheinander oder auch nur zum Pluralismus in der Kirche geführt haben. Ob die einen oder die anderen recht haben, ist nochmals eine andere Frage. Wie andere habe ich Dinge gesagt, vertreten und propagiert, die ich für richtig halte und die es hoffentlich im großen und ganzen auch waren und sind. Aber es ist eben das Merkwürdige, dass man die Fernwirkungen weder absehen konnte noch absehen wollte und sie zum Teil natürlich auch nicht wünschte."
Mein Blog ist keine wissenschaftliche Arbeit, und so ziehe ich keine der sehr zahlreichen wissenschaftlichen Studien zu Karl Rahner und Albert Camus heran. So werde ich auch nicht darauf eingehen, inwieweit Plotin, Augustinus, Nietzsche, Dostojewski oder andere einen Einfluss, der unweigerlich erkennbar ist, auf Albert Camus ausgeübt haben. Und was den vielmals erwähnten Einfluss Martin Heideggers auf Karl Rahner betrifft, hat Rahner selbst geanwortet: „Manche Leute, die über meine Theologie reden, übertreiben oft den Einfluss von Heidegger. Es ist schon insofern eine Übertreibung, als Heidegger keine Theologie dozierte und ich eigentlich ausgesprochener Theologe und nicht >Philosoph< bin. Aber in einem gewissen Sinn kann man durchaus von einem Einfluss Heideggers auf mich sprechen. Dieser Einfluss betraf eine bestimmte Weise des Denkens. Es ging weniger um eine Inhaltlichkeit als vielmehr darum, bestimmte Positionen zu hinterfragen.”
Albert Camus' Namen habe ich einmal von Karl Rahner zitiert gefunden und zwar in dem ersten von zwei Teilen seiner Schrift Was heißt Jesus lieben? Dieser erste Teil erschien 1981 in der Wiener Monatsschrift Entschluss, einer Zeitschrift für Praxis und Theologie. Doch macht der zitierte Satz nur deutlich, dass sich Karl Rahner nicht wirklich mit Albert Camus' Philosophie auseinandergesetzt hat. Ich zitiere in meinem Blogkapitel Jesus Christus diesen Satz. Und Albert Camus kannte Karl Rahners Theologie nicht. Zumindest habe ich keine Anhaltspunkte dafür gefunden, die zeigen, dass es anders gewesen wäre.
Und dabei hätten sich der Schriftsteller und der Pater sehr viel zu sagen gehabt, wenn es zu einer Begegnung und zu Gesprächen zwischen ihnen gekommen wäre. Mit meinen Bloggesprächen versuche ich eine solche geistige Auseinandersetzung herzustellen und dabei ihre gemeinsamen und unterschiedlichen Auffassungen ausfindig und deutlich zu machen. Es sei darauf hingewiesen, dass Albert Camus das Christentum meint, wenn er über seine religiösen Gefühle schreibt. Albert Camus war ein mystischer Mensch auch wenn er nicht zu Gott fand.
Was bei den Gesprächen zwischen Albert Camus und Karl Rahner herausgekommen wäre, können wir nicht wissen, und daher vermeide ich in dieser Hinsicht jede Art von Spekulation.
Ich zitiere aus ihren Werken, Schriften, Aufsätzen, Aufzeichnungen, Briefen, Interviews usw.
Auch schätze ich die Aufrichtigkeit von Karl Rahner und Albert Camus und verehre sie deshalb nur noch mehr. Sie haben auch miteinander gemein, dass sie sich keinen Illusionen und Schönfärbereien hingaben, was das menschliche Dasein betriftt, das sie mit all seinen Widersprüchen sahen. Genauso lehnten sie jegliche innerweltliche Zukunftsutopie ab und blieben gegenüber der Geschichte skeptisch. Jedoch sind die grundsätzlichen Entscheidungen, die sie daraus für ihr Leben trafen, verschieden.
Albert Camus schreibt zu dem Leben des Menschen: „Aber wieder ist es das Absurde und sein widerspruchvolles Leben, das uns belehrt. Der Irrtum besteht nämlich in der Meinung, die Menge der Erfahrung hinge von unseren Lebensumständen ab, während sie doch nur von uns selbst abhängt. Wir müssen hier vereinfachen. Zwei Menschen, die die gleiche Anzahl von Jahren leben, liefert die Welt stets auch die gleiche Menge von Erfahrungen. Wir müssen uns ihrer nur bewusst werden. Sein Leben, seine Auflehnung und seine Freiheit so stark wie möglich empfinden, das heißt: so intensiv wie möglich leben. Wo Klarheit regiert, wird die Werteskala nutzlos.”
Und Karl Rahner schreibt:„Wir können sagen: es ist dir immer dein ganzes Leben aufbewahrt; es sammelt sich alles, was du tatest und erlittest, in deinem Wesen an. Du magst es vergessen haben, es ist doch da. Es mag dir selbst wie ein blasser Traum vorkommen, wenn du dich erinnerst, was du einmal warst, tatest, dachtest. Du bist all das immer noch. All das ist vielleicht, ja hoffentlich, verwandelt, eingefügt in einen besseren, umfassenderen Zusammenhang, integriert mehr und mehr in eine, in die große Liebe und stille Treue zu deinem Gott, die war, blieb und wuchs durch alles, was das Leben mit dir tat; aber alles ist so geblieben, nichts ist einfach vergangen, alles, was geschah, ist noch - solange wir die Pilger der zeitigenden Freiheit sind - einhol- und verwandelbar in die eine Tat des Herzens, die du heute tust.”

Jedem Kapitel stelle ich eine kurze Einführung voran, in der fiktive Personen namens Orélie, Jurik und Marwin das Gespräch beginnen. Dann entwickle ich anhand dieser Personen ein Gespräch, in dem Albert Camus und Karl Rahner durch Zitate zu Wort kommen. Ihre gemeinsamen und ihre unterschiedlichen Auffassungen vom Leid, der Geschichte, der Freiheit, des Todes, des Glaubens, des Atheismus usw. kommen dabei deutlich zum Ausdruck. So will ich auch in meiner Einleitung nochmals jeweils eine ihrer Aussagen wiedergeben.
Albert Camus schreibt zu der jedem Menschen gegebenen Zeit: „Etwas in mir sagt mir, überzeugt mich davon, dass ich mich nicht von meiner Zeit lossagen kann, ohne feige zu sein, ohne in meine Versklavung einzuwilligen, ohne meine Mutter und meine Wahrheit zu verleugnen.“
Und Karl Rahner schreibt zu dem Glauben: „Wie zweitrangig ist aller theologische Scharfsinn vor jenen Fragen und im Vergleich mit jenen Kräften des Geistes und Herzens, denen gegenüber und mit denen die letzten Glaubensfragen entschieden werden. Seien wir doch, was wir sind: Suchende, Fragende, Angefochtene, mit Bitterkeit Erfüllte, Betende: „Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben!“

Ich würde mich freuen, wenn die zahlreichen von mir in Gesprächen zusammengefügten Zitate bei Ihnen Anklang fänden.


Ich möchte Sie auch auf meinen Roman „Ein Leben unter anderen” aufmerkasam machen, der von der Kindheit Marwins, seinen Freundinnen Orélie und Bianca, seinem angespannten Verhältnis zu seiner Mutter und seiner Schwester Mona sowie Jurik, der das Leben leicht zu nehmen scheint, handelt. Ich würde mich freuen, wenn Sie für die Geschichte von diesen in den 50er Jahren in Westdeutschland aufgewachsenen Personen Interesse zeigen und meinen Roman, den ich in einem Blogkapitel vorstelle, kaufen würden.

Seit Sonntag, den 11. September 2011 habe ich auf meinem Blog einen Zähler (Web Counter-Modul) eingerichtet, der sich unterhalb der Links befindet. Als ich den Blogzähler einrichtete, achtete ich nicht auf den Tag und so wurde mir erst im nachhinein bewusst, dass es der Tag der Terroranschläge auf das World Trade Center war. Und so gedenke ich der fast dreitausend Opfer.
Ich gestehe auch, dass ich keine Entschuldigung dafür besitze, den Zähler nicht bei meinem ersten Blogeintrag hinzugefügt zu haben, denn nun können wir keine Kenntnis mehr darüber erhalten, wie viele Personen von Anfang an mein Blog besucht haben. Jeder Leser und jede Leserin wird nur einmal statistisch erfasst, und auch ich bin einmal gezählt worden. Wie häufig jemand mein Blog aufsucht, kann ich nicht feststellen. Doch hoffe ich, dass Sie immer wieder gern in ihm lesen. Mit erfreulicher und gleichzeitig erstaunlicher Regelmäßigkeit fand es jede Woche neue Leserinnen und Leser, und ihre Zahl ist in den ersten sechs Monaten auf 1287 Personen angewachsen.
Am Samstag, den 4. Februar 2012 habe ich den 1000sten Besucher meines Blogs zählen können. Heute, am 2. Juni 2012, noch nicht einmal ein dreiviertel Jahr nach dem Einrichten des Counters, konnte ich den 2000sten Besucher meines Blogs zählen. Das ist eine große Freude für mich, da ich feststellen kann, dass Karl Rahner und Albert Camus auch in unserer Zeit Anklang finden. Ich danke allen meinen Leserinnen und Lesern, und wir können unser Glas zu Ehren der beiden erheben. Noch dazu war ich heute als freiwillige Helferin bei dem Salon des Solidarités in Paris, der drei Tage lang an der Porte de Versailles stattfindet. Ich war für die Organisation Partage tätig, die sich für auf dieser Welt benachteiligte Kinder einsetzt, um ihnen eine Chance in ihrem Leben zu geben. Auch ich bin Patin eines Mädchens in Indien (Kerala), das von der Vijayapuram Social Service Society unterstützt wird. Die VSSS betreut Kinder aus 70 Dörfern.
Am 13. September 2012 kam der 3000ste Besucher meines Blogs hinzu, was mich sehr freute, noch dazu ich keinerlei Möglichkeit habe, Werbung für es zu machen.
Am 14. Dezember 2012 konnte ich meinen 4000sten Besucher begrüßen.
Seit dem 12. August 2012 bin ich Mitglied des Vereins der Freunde und Förderer der Karl Rahner Akademie, der ein unabhängiger Verein ist und sich selbst finanziert. Die Karl Rahner Akademie bekennt sich zu einem offenen Katholizismus, wie ihn auch Karl Rahner vertrat. Ihr Sitz ist in Köln in der Jabachstraße, die nicht weit vom Alten Markt entfernt ist, und von diesem haben Sie nur ein paar Schritte bis zum Rhein und auch der Dom ist in der Nähe. Die Karl Rahner Akademie bietet jedes Jahr von September bis Anfang Juli ein vielseitiges Programm an. Sie können bei Diskussionsreihen, Theaterveranstaltungen, Opernaufführungen, Filmen, Museumsbesuchen und noch einigem mehr teilnehmen. Das Programm können Sie auf der Internetseite der Akademie finden. Die Diskussionsreihen oder Diskussionsabende behandeln Themen aus der Theologie, der Politik, den Naturwissenschaften, der Medizin, der Kunst, der Musik, der Literatur usw. Der Ort der Veranstaltungen ist die Karl Rahner Akademie in der Jabachstraße 4-8, wo Sie sich bald wohlfühlen werden. Auch wenn Sie einen Theaterbesuch wählen, werden Sie, bevor die Vorstellung im Theater beginnt, in der Karl Rahner Akademie von einem Dozenten in die Vorführung eingeführt. Falls die Veranstaltung ausnahmsweise nicht in der Jabachstraße stattfindet, ist das selbstverständlich im Programmheft angegeben. So eine Ausnahme gab es im Juli, da Anselm Grün in die Karl Rahner Akademie kam und seine Meditation in der Kirche St Peter hielt. Ich war auch anwesend, und es war sehr ergreifend, als Anselm Grün mit seiner Benediktiner Kutte bekleidet zu uns sprach und uns den Abendsegen gab.
In diesem Jahr 2013, für das ich Ihnen alles Gute wünsche, beginne ich eine Webseite über berühmte Personen. Allerdings habe ich bisher erst Zitate von Albert Camus und Franz Kafka auf meinen Site gestellt. Das wird sich sehr bald ändern, denn Karl Rahner wird hinzukommen.
Heute am 15. März 2013 konnte ich mit Freude feststellen, dass über fünftausend Personen mein Blog besucht haben.
Vor zwei Tagen hat sich der neue Papst den Namen Franziskus gegeben, wobei mir Verse aus Rainer Maria Rilkes Stundenbuch in den Sinn kamen, die Franz von Assisi gewidmet sind. Ich dachte an folgende Verse: Denn er war keiner von den immer Müdern, die freudeloser werden nach und nach, mit kleinen Blumen wie mit kleinen Brüdern ging er den Wiesenrand entlang und sprach. Und sprach von sich und wie er sich verwende so dass es allem eine Freude sei; und seines hellen Herzens war kein Ende, und kein Geringes ging daran vorbei. Er kam aus Licht zu immer tieferm Lichte, und seine Zelle stand in Heiterkeit. Das Lächeln wuchs auf seinem Angesichte und hatte seine Kindheit und Geschichte und wurde reif wie eine Mädchenzeit.

Am Sonntag, den 7. Juli 2013 konnte ich voller Freude meinen 6000 sten Leser oder Leserin meines Blogs zählen. In den Zeitungen las ich, dass Papst Johannes Paul II. nach dem Wunsch von Papst Franziskus noch dieses Jahr heiliggesprochen werden soll. Ich las ebenfalls ein in der Weltwoche veröffentlichtes Interview , in dem Karl Rahner vor einer der anstehenden Papstwahlen im Jahr 1978 sagte: Ich würde mir einen Papst wünschen, der die letzte Substanz der christlichen Botschaft von Gott als der unaufhebbaren Besiegelung der Selbstzusage Gottes an die Welt und in ihrer Geschichte werbender, rasanter, glühender, leuchtender verkündigen würde.
Ich würde mit wünschen, dass der kommende Papst nicht nur über die Orthodoxie dieser Lehre ängstlich, abwehrend wacht, sondern für seinen Teil - mehr kann man nicht verlangen - auch versucht, in der Lebendigmachung ihrer Verkündigung bis zu einem gewissen Grad vorbildlich voranzugehen.
Die bisherige Glaubenskongregation, das frühere Heilige Offizium, ist doch in gewisser Weise eine bürokratische Behörde, die es nicht wirklich fertigbringt, die Glaubenssubstanz, die sie verteidigen muss, überzeugend zu verkünden. Sie repetiert nur, schärft nur ein, wehrt nur ab, ist aus der Verholztheit der Neuscholastik der Pianischen Epoche noch nicht herausgekommen.

Heute ist der 1.Januar 2015 und ich wünsche meinen Leserinnen und Leser ein gutes neues Jahr. Ich konnte feststellen, dass mittlerweile 10.005 Personen mein Blog besucht haben. Ich selbst beteiligte mich an diesem Neujahrstag in Paris an dem Friedensmarsch, zu dem die Gemeinschaft Sant Egidio eingeladen hat. Wir gingen von der Fontaine des Innocents bis zur Kathedrale Notre Dame.

Ihre Dr. Christa Duris

Dienstag, 5. Oktober 2010

Die Wahrheit des Menschen

Rahner_Camus_livres

Es war ein eiskalter Wintertag, an dem Orélie die Treppenstufen zu der Wohnung ihres Freundes Marwin hochstieg, die sich auf der dritten Etage befand. Nach einer herzlichen Begrüβung setzte sie sich an den schon gedeckten niedrigen Couchtisch. „Auf den Kaffee musst du noch warten, er ist noch nicht durchgelaufen. Doch wird die Kollektivheizung vorerst ausreichen, damit du dich aufwärmen kannst“, spöttelte Marwin. „Ich empfinde eine wohlige Wärme“, entgegnete Orélie, „und du musst dafür keinen Finger rühren. Erinnerst du dich noch an den enormen Herd, der in der geräumigen Küche des Bauernhauses meiner Groβeltern stand und der vorwiegend mit Holz beheizt wurde? Und heute genügt ein Druck mit dem Finger auf einen Knopf, und schon wird die Wohnung beheizt.“ „Ja, das Bild eurer ausgiebig Platz bietenden Küche hat sich mir in meiner Erinnerung gut eingeprägt”, antwortete Marwin und holte den fertigen Kaffee, von dem er Orélie und sich eine Tasse voll einschenkte. Er nahm ebenfalls auf einem Sessel Platz und sagte: „Die Zeit der Kohleöfen ist vorbei, heutzutage sprechen wir von erneuerbaren Energien, was sehr wichtig ist. Aber die wissenschaftlichen Fortschritte erklären uns nicht das Wesen der Freiheit, über die ich mit dir sprechen möchte und zu der Karl Rahner schreibt: „Es wäre eine völlige Verkennung des Wesens der Freiheit, wollte man sie verstehen als das bloße Vermögen der Wahl zwischen nachträglich und beliebig gegebenen einzelnen Objekten, unter denen sich dann neben vielen anderen auch Gott befindet, so dass er unter diesen Objekten nur von seiner eigenen objektiven Eigenart, nicht aber vom Wesen der Freiheit selbst her eine besondere Rolle im Vollzug dieser Wahlfreiheit spielen würde.” „So spricht Rahner von einem „Woraufhin” der Transzendenzerfahrung und schreibt: „ Der Grund der Freiheit ist der Abgrund des Geheimnisses, das nie aufgefasst werden kann als ein bloß noch nicht Gewusstes, aber einmal Begreifbares, sondern vielmehr als das ursprünglichste Datum unserer transzendentalen Erfahrung in Erkenntnis und Freiheit, das in seiner selbstverständlichen und bleibenden Unbegreiflichkeit der Grund der Möglichkeit des Begreifens alles dessen ist, was innerhalb seines Horizonts als einzelnes begegnet.” „Und zu der menschlichen Entscheidung”, fuhr Orélie fort schreibt Karl Rahner: „Wir mögen nicht durchschauen, wie wahre kreatürliche Freiheit so gegeben sei mit ihrer Unabwälzbarkeit ihrer Entscheidung und zugleich mit der Unentrinnbarkeit dieser Freiheit aus der Souveränität Gottes, in der Gott diese kreatürliche Freiheit trägt und in ihre Freiheit setzt, aber so gerade nicht seine Souveränität mit der kreatürlichen Freiheit teilt. Wir sind frei, wir können die Verantwortung für unsere Freiheitsentscheidungen nicht auf Gott abwälzen. Aber eben diese unsere Entscheidungen sind noch einmal restlos umfasst von der Verfügung Gottes allein, die nur in ihm und in sonst gar nichts ihren Grund hat.” „Insofern schreibt Rahner zu dem Wesen der Freiheit:
„ Freiheit hat einen theologischen Charakter nicht erst dann und dort, wo Gott explizit in kategorialer Gegenständlichkeit neben anderen Objekten vorgestellt wird, sondern immer und überall vom Wesen der Freiheit selber her, weil in jedem Akt der Freiheit Gott als ihr tragender Grund und als letztes Woraufhin unthematisch gegeben ist.“
„Freiheit ist für diesen Theologen von Gott her dem Menschen zugesagt“, unterstrich Marwin, „und gleichzeitig ist Gott als das unbegreifliche Geheimnis der tragende Grund unserer Freiheit, die gleichzeitig Freiheit Gott selbst gegenüber ist. Rahner schreibt: „Für die christliche Lehre von der Freiheit ist es entscheidend, dass diese Freiheit die Möglichkeit eines Ja oder Nein gegenüber ihrem eigenen Horizont impliziert, ja dadurch erst eigentlich konstituiert wird. Und zwar gerade nicht nur in erster Linie dort, wo Gott thematisch in kategorialen Begriffen gegeben und vorgestellt wird, sondern dort, wo er in der transzendentalen Erfahrung als Bedingung und Moment an jeder personalen, auf die innerweltliche Mit- und Umwelt gerichteten Tätigkeit unthematisch, aber ursprünglich gegeben ist. In diesem Sinne begegnen wir überall in einer radikalen Weise Gott als der eigentlichsten Frage an unsere Freiheit, in allen Weltdingen und wie die Schrift sagt vor allem im Nächsten." „So müssen wir nochmals festhalten, dass Freiheit einen Selbstvollzug des Menschen einschließt”, machte Orélie deutlich.„Rahner schreibt: „Der Mensch existiert immer als der Herkünftige und Angerufene, als der – in Ja und Nein – Antwortende her von und hin zu jenem unsagbaren Geheimnis, das wir Gott nennen. Freiheit ist immer Selbstvollzug des gegenständlich wählenden Menschen in Hinsicht auf seinen Gesamtvollzug vor Gott. Der Mensch ist durch seine Seinsfreiheit immer der Unvergleichliche, der in kein System adäquat eingeordnet, keiner Idee adäquat subsumiert werden kann. Er ist in einem ursprünglichen Sinn der Unantastbare, so aber auch der Einsame und Ungeborgene, sich selber Zugelastete, der sich durch nichts von diesem einmal einsamen Selbstsein „absolvieren“, sich selbst nie auf andere abwälzen kann.“
„Zu der Freiheit als Selbstvollzug des konkret wählenden Menschen”, erklärte Marwin, „können wir aus einer biblischen Predigt Karl Rahners zitieren, in der er das Gleichnis vom Sämann aufgriff:
„Gewiss, Jesus sagt uns in der Parabel: Nicht der Same Gottes, sondern der Boden, die steinernen Herzen, sind selber schuld, dass Gottes Leben keine Frucht bringt in dürren und harten Herzen, in blindem Geist. Aber – so könnte man ja versucht sein zu antworten –, ist nicht all das auch noch einmal umfasst, gewollt oder, wenn zugelassen, eben doch von Gott herkommend? Aber Jesus sagt uns dann: Nein – Mensch –, nimm die Verantwortung für das Schicksal des Samens Gottes in deinem Herzen auf dich. Erst dann, wenn du so zugibst, dass du am Schicksal Gottes und seiner Gnade selber eine unabwälzbare, unzurückführbare, unvertretbare , unentschuldigbare Verantwortung trägst, erst dann bist du der Mensch, der so vor Gott steht, wie er stehen muss. Wir müssen in unserem Herzen Gottes Samen ein Erdreich erkämpfen, und wenn wir es tun und wenn wir sonst nach nichts fragen, dann bringt dieser Samen Gottes in unserem Herzen wirklich Frucht dreiβig-, sechzig- und hundertfach.“
„Und Karl Rahner führt auch ein konkretes Beispiel an, das zeigt inwiefern die beiden repräsentativen christlichen Kirchen in Deutschland zur Zeit des Nazismus in ihrer Freiheit versagt haben. Rahner schreibt: „Aber gerade darum geziemt es dem Christen am allermeisten, die Freiheit nicht nur des Glaubens, sondern Freiheit überhaupt zu achten. Sonst verrät er das Christentum selbst. Es ist nicht so, es darf nicht so sein, dass wir Christen nur ein Interesse an Freiheit haben, wo sie uns, das heißt religiösen oder gar kirchlichen Zwecken, Raum gewährt. Die Freiheit ist wirklich unteilbar. Ich meine, beide Konfessionen müssen im Blick auf ihre amtliche Repräsentation in Deutschland in der Zeit des Nazismus bekennen, dass sie dafür nicht genug waches und entschlossenes Verständnis gehabt haben, dass sie nicht kompromisslos den Freiheitsraum der anderen verteidigt haben. Es ist wahr, dass der eindeutigste Prüfstein dafür, ob man zur Freiheit entschlossen ist, daran erkannt werden kan, ob man diesen Raum dem anderen einräumt.”
„ Lass uns nun auf Albert Camus zu sprechen kommen“, äuβerte sich Orélie, „der zu der Freiheit schreibt: „Zu wissen, ob der Mensch frei ist, interessiert mich nicht. Ich kann nur meine eigene Freiheit erfahren.” „Und so ging es ihm darum, „zu erfahren, ob der Mensch ohne die Hilfe des Ewigen oder des rationalistischen Denkens, auf sich selbst gestellt, seine eigenen Werte schaffen kann.“
„Ja“, antworteteMarwin, „in seinem Essay Der Mensch in der Revolte empörte sich Camus gegen die Absurdität und gleichzeitig gegen die Anmaßung des Menschen, vor seiner Wirklichkeit fliehen zu wollen. Camus stellt die Forderung nach dem Leben auf, das den Menschen seine ihm eigenen Werte finden lässt.Und wenn der Mensch Solidarität zeigt und sich auflehnt, ist, wie Albert Camus schreibt, „jede Frage, jedes Wort Revolte, während in der Welt des Heiligen jedes Wort ein Gnadenakt ist. So wäre es möglich zu zeigen, dass es für den Geist des Menschen nur zwei mögliche Welten geben kann: diejenige des Heiligen oder um in der Sprache des Christentums zu sprechen: der Gnade, oder diejenige der Revolte. Kann man fern des Heiligen und seiner absoluten Werte eine Verhaltensregel finden, das ist die Frage, die die Revolte stellt.“
„Schon in seinem Roman Die Pest “, fügte Orélie hinzu, „sagt Tarrou: „Kann man ein Heiliger ohne Gott sein, das ist das einzige konkrete Problem, das ich heute kenne.“
„Albert Camus kommt zu dem Schluss und sieht es als die hauptsächliche Aufgabe des Menschen an, die Treue zum Menschen zu verteidigen. Er schreibt:
„Ich glaube weiterhin, dass unserer Welt kein tieferer Sinn innewohnt. Aber ich weiβ, dass etwas in ihr Sinn hat, und das ist der Mensch, denn er ist das einzige Wesen, das Sinn fordert. Diese Welt besitzt zumindest die Wahrheit des Menschen, und unsere Aufgabe besteht darin, ihm seine Gründe gegen das Schicksal in die Hand zu geben. Und die Welt hat keine anderen Seinsgründe als den Menschen, und ihn muss man retten, wenn man die Vorstellung retten will, die man sich vom Leben macht.“
Albert Camus verteidigt die Wahrheit des Menschen, und beruft sich dabei allein auf den Menschen. Dagegen ist die von Albert Camus verteidigte Wahrheit des Menschen für Karl Rahner schon mehr als das Werk des Menschen. Sie ist Gottes Gnade, die sich selbst schenkt. Rahner schreibt:
„Wenn alle Versuche, das einzig Wichtige, das Allumfassende, das Bleibende, das Göttliche aus dem Grund des Herzens auszugraben, gescheitert sind und es immer wieder am Ende sich herausstellt, dass das Gefundene – der Mensch ist, der sich auf die Dauer nicht anbeten kann, weil dieser Gott doch zu armselig ist, dann sagt das Wort Gottes zu diesem enttäuschten und verzweifelten Schatzgräber ruhig und sicher: Zutiefst in den Abgründen des Menschen lebt dennoch Gott, der lebendige Gott, wirklich Er selbst, nicht ein Götze, nicht bloβ ein Bild von uns selbst, sondern Er selbst, der lebendige Gott, der unendliche Gott, der heilige Gott. Er, der nicht bloβ in sich selbst die Unendlichkeit ist, sondern uns seine eigene unendliche Weite schenken will.“
„ Der Mensch ist für Karl Rahner das auf das Ganze aller möglicher Wirklichkeit sich immer schon eröffnend habende Subjekt . So schreibt Rahner: „Wenn wir unbelohnt uns ganz einsetzen und uns gleichsam von uns selbst absetzen, dann greifen wir in eine Unendlichkeit hinein, die nicht mehr empfangen werden kann, die namenlos ist. Dann greifen wir auf das heilige Geheimnis, das unser Leben durchwaltet und trägt, dann haben wir es mir Gott zu tun. Gottes Geist ist in uns, so dass wir eigentlich im Innersten schon wissen, obwohl wir blinde Toren sind, denn Er weiß, und Er ist unser; Er ist es, der in uns liebt, frohlockend liebt, liebt, nicht selbstisch begehrt; und diese Liebe ist unser, denn Gottes Geist ist die ewige Liebe Gottes, und Er ist unser, Er ist unsere Liebe, obwohl wir kalte, enge, kleinliche Herzen haben! Er ist das Lachen, das hinter unserem Weinen schon leise aufklingt, Er ist die Zuversicht, die trägt, Er die Freiheit, Er die beschwingte Seligkeit unserer Seele.“
„Ich stimme dir bei“, sagte Orélie, „das was Albert Camus die Wahrheit des Menschen nennt, ist für Karl Rahner als Gnade Gottes jedem Menschen zugedacht. Rahner schreibt: „Man kann durchaus annehmen, dass faktisch in allen oder fast allen Fällen dort, wo wirklich ein eigentlich geistig sittlich guter Akt vollbracht wird, er auch tatsächlich mehr ist als nur ein solcher Akt. Die Gnade Christi umschließt den Menschen mehr, als wir denken, sie setzt tiefer, verborgener und umfassender im Grund seines Wesens an, als wir oft meinen."
Aber der Mensch erfährt diese Gnade nicht als etwas, das er erfassen kann. Rahner schreibt: „Gott, jene Unendlichkeit, die uns sowohl befreit von der versklavenden Gewalt der menschlichen Seelenmächte als auch erhebt über die im letzten doch kümmerlichen Maβe eines harmonischen Humanismus. Man erfährt die Gnade nur, indem man sie einfach voraussetzt, indem man springt, obwohl man bloβ in den Abgrund der eigenen Ohnmacht zu fallen wähnt.“ „Und erst so können wir uns gewahr werden, dass wie Karl Rahner schreibt: „Gott das Höchste des Menschen davor bewahren, immer aufs neue bewahren, immer wieder davon erlösen muss, zum höchsten Ausdruck des Stolzes des Menschen zu werden, zur Anmaßung seiner Gottgleichheit aus eigener Kraft, zur flammenden Ungeduld, die von sich aus Gott erobern und an sich reißen will.”
Marwin sagte darauf, „dass Albert Camus es ebenfalls ablehnte, bei der Verteidigung der Wahrheit des Menschen, sich auf eine Humanität zu berufen. Er schreibt:
„Ich sage, dass ich in bezug auf das Los der Menschheit pessimistisch bin, aber optimistisch in bezug auf den Menschen. Und zwar nicht unter Berufung auf eine Humanität, die mir immer recht beschränkt vorgekommen ist, sondern im Namen einer Unwissenheit, die bestrebt ist, nichts zu verneinen.“
Und Albert Camus entschied sich daher, in seinem Leben an dem Wahren festzuhalten, zu dem er schreibt:
„Sich nicht weigern, das Wahre anzuerkennen, auch wenn das Wahre sich zufällig dem Wünschenswerten widersetzt. Zugeben, dass auch die Kraft, vor allem die Kraft überzeugt. Die Wahrheit lohnt jede Qual. Sie allein ist die Grundlage der Freude, die dieses Bemühen krönen soll. In der Freiheit und für die Freiheit leben. Zunächst die Wahrheit dessen, was man ist. Darauf verzichten, mit den Menschen Kompromisse zu schlieβen. Dann die Wahrheit dessen, was ist. Nicht mit der Wirklichkeit mogeln. Somit seine Originalität und seine Ohnmacht akzeptieren. Dieser Originalität gemäβ bis zu dieser Ohnmacht leben.“
„Auch Karl Rahner lehnte jede Art von Parteilichkeit und Anmaβung ab“, merkte Orélie an, „und er hätte Albert Camus beigestimmt, der schreibt:
„ Die abgenutzte Moral der abstrakten Gerechtigkeit abschaffen.“
„Ja,“ sagte Marwin, „insofern schreibt Karl Rahner: „Gerechtigkeit, die nicht Liebe ist, verfehlt gerade das, worauf es bei der Gerechtigkeit letztlich ankommen muss, nämlich auf den wirklichen Respekt vor dem Menschen.“ Dieser Respekt vor dem Menschen, der die Wahrheit des Menschen ausmacht, ist für Karl Rahner wiederum durch die Gnade Gottes gegeben. Und für Rahner ist es notwendig, um diese Gnade zu beten: „Wenn wir wachsen wollen in der Liebe, müssen wir nicht nur achten auf ihre leisen Regungen, müssen wir ihr nicht nur ein reines Herz bereiten, wir müssen auch um sie beten. Gott ist es, der Beginn, Wachstum und Vollendung der heiligen Liebe in uns wirkt nach seinem Wohlgefallen. Er hat uns zuerst geliebt, seine Gnade war es, die zu uns in den ersten Regungen der Liebe sprach, die allein unser Herz reinigen kann. So will Er, dass wir um seine Gnade beten: Mehre, o Gott, Deine Liebe in uns!“
Dagegen preist Albert Camus die Revolte, in der er jedoch ebenfalls der Liebe Nachdruck verleiht. Er schreibt: „Die unerhörte Groβmut ist der Revolte eigen, die ohne zu zögern ihre Kraft der Liebe gibt und unverzüglich die Ungerechtigkeit abweist. Ihre Ehre ist, nichts zu berechnen, alles an das jetzige Leben und ihre lebenden Brüder zu verteilen. So spendet sie für die kommenden Menschen. Die wahre Groβzügigkeit der Zukunft gegenüber besteht darin, in der Gegenwart alles zu geben.“
„Und in seinem Theaterstück Die Gerechten lehnt Albert Camus den Standpunkt des Revolutionärs Stepan ab, der bei dem Attentat des Großfürsten auch vor dem Tod von Kindern nicht zurückschaudern will“, machte Orélie deutlich, „Camus stellt sich auf die Seite Kaliayews, der seinen ersten Versuch, die Bombe zu werfen, unterlässt, weil die Neffen des Grossfürsten mit in der Kutsche sitzen. In seinem Essay Der Mensch in der Revolte schreibt Albert Camus zu diesem Stück: „Die Ungeduld angesichts der Grenzen, die Abweisung ihres doppelten Wesens, die Verzweiflung, Mensch zu sein, warfen sie schlieβlich in eine unmenschliche Maβlosigkeit. Da sie die echte Gröβe des Lebens leugneten, mussten sie auf ihre eigene Vortrefflichkeit setzen. Mangels Besserem haben sie sich vergöttlicht, und ihr Elend begann: diese Götter haben blinde Augen. Kaliayew und seine Brüder auf der ganzen Welt verwerfen im Gegenteil die Göttlichkeit, denn sie weisen die unbegrenzte Macht, den Tod zu geben, von sich. Sie erwählen und geben uns damit ein Beispiel, die einzige Richtschnur, die heute originell ist: leben und sterben und, um Mensch zu sein, sich weigern, Gott zu sein.“
„Dieser Richtschnur hätte auch Karl Rahner seine Zustimmung geben können“, erklärte Marwin, „weil eine Vergöttlichung des Menschen, der die unbegrenzte Macht besitzt, für ihn von vornherein ein Hirngespinst war. Doch können wir auch wieder herausstellen, dass Karl Rahner die echte Gröβe des Lebens, die die Wahrheit des Menschen ausmacht, durch die Gnade Gottes getragen sieht. Für Rahner bleibt der Mensch vor sich selbst und vor der einen und letzten Frage gestellt: „Der Mensch wird sich selber nie wirklich los. Das Ganze, Eine seiner Existenz, das er verdrängen und vergessen will im Betrieb seines Alltags, wird immer wieder aus seinem dunklen Grund hervortreten und ihm und seiner Freiheit die eine und letzte Frage stellen, wie er sich zu diesem Einen verhält, was er damit und nicht bloβ mit den tausend Einzelheiten seines Lebens anfangen will.“
„Ja“, unterstrich Orélie, „unsere Entscheidungen müssen wir selber treffen, und sie können ganz verschieden ausfallen. Doch ändert dieses nichts, wie Karl Rahner schreibt, „an der Grundüberzeugung aller christlichen Theologie, dass eine reine Absolutsetzung und Autonomie unserer Freiheit dem christlichen Gottesverständnis widerspricht.“
„Was den Zusammenhang zwischen Freiheit und Gerechtigkeit angeht, sollten wir auf Albert Camus zurückkommen, der schreibt:
„Schlieβlich habe ich die Freiheit gewählt. Denn auch wenn die Gerechtigkeit nicht verwirklicht wird, bewahrt die Freiheit das Vermögen, gegen die Ungerechtigkeit zu protestieren, und rettet so die Gemeinschaft. Die Gerechtigkeit in einer schweigenden Welt, die Gerechtigkeit der Stummen, zerstört die Anteilnahme. Es geht um das Wissen, dass wir ohne die Freiheit nichts zustande bringen und gleichzeitig die zukünftige Gerechtigkeit und die ehemalige Schönheit verlieren werden. Einzig die Freiheit erlöst die Menschen aus der Vereinzelung; die Knechtschaft dagegen herrscht über eine Unzahl von Einsamkeiten.“
„Du hast recht“, fuhr Marwin fort, „Albert Camus gibt der Freiheit und somit der Möglichkeit einer Entschlossenheit zum Protest den Vorrang, denn nur dadurch kann zugleich die Gerechtigkeit verteidigt werden.“
„Ja“, antwortete Orélie, „verkürzt können wir sagen, dass für Karl Rahner die Freiheit des Menschen die angebotene Selbstmitteilung Gottes in seiner Gnade ist. Freiheit beinhaltet immer ein Ja oder Nein des Menschen zu dem unsagbaren Gott und schließt gleichzeitig einen Selbstvollzug des Menschen ein." „Und für Albert Camus", äußerte Marwin, „geht die Freiheit Hand in Hand mit der Revolte, das heiβt mit der Notwendigkeit des Protestes, sobald die Wahrheit des Menschen bedroht ist.”

Samstag, 4. September 2010

Gethsemane

Gethsemane

Orélie saβ zusammen mit Jurik in einem Café, und sie konnte sich nur schwerlich konzentrieren. Eine Trauer stieg in ihr auf, und sie senkte verlegen ihre Blicke. „Hast du eigentlich genug Schlaf? Du siehst übernächtigt und mit den dunklen Ringen unter deinen Augen beinahe wie der Tod aus,“ sagte Jurik sichtlich besorgt.
„Sei nicht töricht. Doch denke ich in letzter Zeit des öfteren an den Tod, und kann mit Albert Camus nachfühlen, wenn er schreibt:

„Die Entdeckung des Absurden fällt mit einer Zeit des Stillstands zusammen, in der sich die künftigen Leiden entwickeln und ihre Rechtfertigung erhalten. Selbst die Menschen ohne Evangelium haben ihren Ölberg. Wenn die Bilder der Erde zu sehr im Gedächtnis haften, wenn das Glück zu dringend mahnt, dann steht im Herzen des Menschen die Trauer auf: das ist der Sieg des Steins, ist der Stein selber. Die gewaltige Not wird schier unerträglich. Das sind unsere Nächte von Gethsemane.“
„Albert Camus und Karl Rahner sind sich hierin einig“,antwortete Jurik, „in seiner Schrift Glaube, der die Erde liebt schreibt Rahner:
„Die Erde, unsere große Mutter, ist selbst bekümmert. Sie stöhnt unter der Vergänglichkeit. Ihre fröhlichsten Feste sind plötzlich wie der Beginn einer Totenfeier, und wenn man ihr Lachen hört, zittert man, ob sie nicht im nächsten Augenblick unter einem Gelächter weint.“

Orélie stimmte zu und fuhr fort: „Karl Rahner nennt den Garten von Gethsemane auch das verlorene Paradies.
„Es ist der Garten, aus dessen Früchten, die Menschen das Öl der Freude keltern wollten, der aber in Wirklichkeit der Garten des verlorenen Paradieses war.“
Denn in diesem Garten wird sich Jesus seines Menschseins und somit seiner Sterblichkeit bewusst, und die Angst vor dem Tod ist allgegenwärtig.“

„Für Albert Camus macht Christus dem Problem des Bösen und des Todes ein Ende“, erklärte Jurik, „denn durch seinen Tod am Kreuz, in dem er die Sünde der Menschheit auf sich nimmt, besiegt er das Böse und den Tod.“

„Du machst aus Camus fast einen Christen,“ machte Orélie geltend, „ich kenne diese Stelle in seinem Buch Der Mensch in der Revolte, die in dem Teil Die metaphysische Revolte steht und dort ganz anders klingt. So möchte ich deine Aufmerksamkeit auf die Tatsache ziehen, dass sich Albert Camus gegen die Weltordnung auflehnt, da diese durch das Böse, das Unrecht, die Ungleichheit und den Tod, den er als den gröβten Skandal bezeichnet, bestimmt ist. Und deswegen ruft Camus den Menschen zur ständigen Revolte auf.

„Wenn die allgemein gewordene Todesstrafe die Lebenslage der Menschen bestimmt, so ist die Revolte in einem Sinn ihre Zeitgenossin. Zu gleicher Zeit, da der Revoltierende sich gegen seine Sterblichkeit verwahrt, weigert er sich, die Macht anzuerkennen, die ihn darin leben lässt. Wer metaphysisch revoltiert, ist also nicht unweigerlich ein Gottesleugner, wie man glauben könnte, aber er ist notwendigerweise ein Gotteslästerer. Nur lästert er zuerst im Namen der Ordnung, indem er in Gott den Vater des Todes und den gröβten Skandal aufdeckt.“

„Es ist richtig“, ergriff Jurik das Wort, „der metaphysisch Revoltierende weist Gott die Schuld an dem Desaster in der Welt zu und wird zum Gotteslästerer. So schreibt Albert Camus weiter:

„Der Revoltierende fordert eher heraus, als dass er leugnet. Am Anfang wenigstens beseitigt er Gott nicht, er spricht einzig als Ebenbürtiger mit ihm. Doch handelt es sich nicht um ein höfliches Zwiegespräch. Es handelt sich um eine Polemik mit dem Wunsch zu siegen.“

Und nun lass uns auf Jesus Christus zurückkommen, in dem Albert Camus einen Mittler zwischen Gott und den Menschen erkennt. Doch bleibt am Ende nur der Schrei der menschlichen Verzweiflung. Camus schreibt:
„Christus kam, zwei Hauptprobleme zu lösen: das Böse und den Tod, die beide gerade die Probleme der Revolte sind. Seine Lösung bestand zuerst darin, sie auf sich zu nehmen. Der Gottmensch leidet auch, und mit Geduld. Das Böse wie der Tod können ihm nicht völlig zugeschrieben werden, da auch er zerrissen ist und stirbt. Die Nacht von Golgatha hat nur darum für die Geschichte der Menschen soviel Bedeutung, weil in ihrem Dunkel die Gottheit, sichtbar auf alle hergebrachten Privilegien verzichtend, bis zu ihrem Ende, alle Verzweiflung eingeschlossen, die Todesangst durchlebt. So erklärt sich das Lama asabthani und Christi grauenhafter Zweifel in der Agonie.“

„Diesbezüglich ist anzumerken, dass Jesus für einen Christen nicht in die Welt gekommen ist, um für unsere ungelösten Probleme eine Lösung zu finden“, machte Orélie deutlich, „Christus ist nicht der Deus ex machina, der in der Welt eingreift, alle Tränen wegwischt und der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft. Jesus ist Gottes Sohn, der in die Welt kam und seinen Vater mit Abba ansprach. Karl Rahner schreibt in seinem Buch Gnade als Freiheit in dem Kapitel Gott, unser Vater :

„Die Geschichte, in der wir miteinander leben, ist der Ort, an dem jeder zu sich selbst kommt. Da aber können wir einen Menschen treffen, der sich selbst einfach den „Sohn“ nannte und, wenn er das Geheimnis seines Lebens beschwor, Vater sagte. Er nannte dieses abgründig finstere Geheimnis, das er als solches kannte, mit einer rührend beschwörenden Zärtlichkeit: Abba. Und er nannte es nicht nur so, wenn ihm in dieser Welt Schönheit und Hoffnung hinweghalfen über die Unbegreiflichkeit des Daseins, sondern auch als er in die Finsternis des Todes fiel und der Kelch, darin alle Schuld, Vergeblichkeit und Leere der Welt, höllisch destilliert, gesammelt waren, an seine Lippen gesetzt wurde und in Geist und Herz nur noch das verzweifelte Wort des Psalmisten übrigblieb: Mein Gott, warum hast du mich verlassen. Auch dann war jenes zugleich frühere und spätere, alles umfassende Wort gegenwärtig, in dem auch die Gottverlassenheit geborgen blieb: Vater, in deine Hände empfehle ich mein Leben.“

So ist der Leidensweg Jesu Christi, wie Karl Rahner schreibt:

„ die abgründig einmalige Annahme der Passion der Menschheit, in der diese Menschheitspassion angenommen, durchlitten, erlöst und befreit ist in das Geheimnis Gottes hinein.“

Die Nacht im Garten Gethsemane wie die von Golgatha bietet sich uns dar als die Heilszusage Gottes an die Menschen, die durch Jesus Christus Wirklichkeit wurde. Es ist die Liebe Gottes, den Menschen durch das Leiden Jesu zum Heil berufen zu haben. Karl Rahner schreibt ermutigend:

„Menschwerdung Gottes sagt: Traue der Nähe, sie ist nicht Leere. Lass los, dann findest du; gib auf, und du bist reich. Wenn wir der Botschaft der Menschwerdung entgegengehen mit der Sehnsucht des Herzens, das hoffend der letzten Frage des Daseins sich stellt, dann können wir das Fest der Ankunft des Sohnes feiern, in dem das Geheimnis, das wir Gott nennen, wirklich als bergende Nähe da ist, wo wir selber sind, auf der Erde und im Fleisch. Dann können wir das ursprunglose Geheimnis getrost Vater nennen. Wir bekennen dann das Einfachste unseres Daseins, dessen Selbstverständlichkeit zu begreifen die eine, schwerste Aufgabe für die Tapferkeit des Geistes und des Herzens ist: dass Gott nicht nur „an sich“ gut ist, sondern, obwohl es anders sein könnte, sich selbst als Liebe, sich selbst als unsere eigene Zukunft mit seiner ganzen Herrlichkeit in diese Welt als deren wahren Ausgang und letztes Ende eingestiftet hat.“

„Für Albert Camus blieb der Tod ein nicht hinzunehmender Skandal, und so notierte er in seinen Tagebüchern:

„Ah, die Strafkolonie, das Paradies der Strafkolonie!”

„Albert Camus wehrte sich gegen Gott”, sagte Orélie darauf, „weil er sich in der Welt, die den Tod impliziert, wie ein Betrogener vorkam. In seinen Tagebüchern schreibt er:

„Es gibt nur einen Fall reiner Verzweiflung. Das ist der Fall des zum Tode Verurteilten. Das Grauen entsteht hier aus der Gewissheit – vielmehr aus dem mathematischen Faktor, der diese Gewissheit ausmacht. Das Absurde wird hier vollkommen deutlich. Es hat alle Anzeichen der Gewissheit. Nun gut, so werde ich eben sterben. Vielleicht früher als andere. Wenn man schon stirbt, ist es ohne Belang, wie und wann. Ich muss mich also fügen. Da sind sie schon. Und dabei ist noch dunkle Nacht. Sie sind früher gekommen. Ich bin betrogen. Ich sage euch, ich bin betrogen…“

„Karl Rahner schreibt in seiner Schrift Das christliche Sterben, dass kein Mensch konkret weiß, wie es mit seinem Tod bestellt ist”, fuhr Jurik fort, „Rahner schreibt: „Der Mensch erfährt den selben Tod als den Höhepunkt seiner Verohnmächtigung; er weiß, dass seine Freiheit eben diese Verohnmächtigung bis zum Letzten hoffend annehmen muss. Der Mensch kann sich nicht noch einmal reflex und mit Sicherheit sagen, wo und wie, im Leben oder Sterben, ihm, dem Ohnmächtigen, die Möglichkeit solcher annehmenden Freiheitstat gegeben gewesen ist und ob er tatsächlich angenommen hat. Insofern in diesem Tod das unbegreifliche Geheimnis Gottes nahekommen soll, das sowohl die Unbegreiflichkeit seines Wesens als auch die seiner Freiheit gegenüber dem Menschen umschließt, wird die Unbegreiflichkeit des Todes in seiner Verhülltheit endgültig." Orélie schloss weitere Worte von Karl Rahner an, die er in seiner ersten gröβeren autobiographischen Darstellung geschrieben hat:

„Wie lange dauert es noch, bis es für immer Abend ist? Ich weiβ es nicht. So macht man weiter, solange noch Tag ist. Am Ende geht man mit leeren Händen fort, ich weiβ es. Aber so ist es gut. Dann schaut man auf den Gekreuzigten. Und geht. Was kommt ist die selige Unbegreiflichkeit Gottes.“

Sonntag, 18. Juli 2010

Das Leid

Albert-Camus-1Karl-Rahner-1
Orélie hatte sich mit ihrem Freund Jurik getroffen, und sie wollten gemeinsam über das Leid sprechen. „Ich finde keine Antwort, so sehr ich mich auch darum bemühe, in allem liegt eine Last,“ begann Orélie das Gespräch. „Das Leid kann zu jeder Zeit und wo auch immer auftreten. Es kann den Menschen völlig unerwartet treffen”, antwortete Jurik, „und es wühlt mich ebenfalls auf.“ „Ich habe auch Angst, mich von einer mutlosen Abgespanntheit anstecken zu lassen.” „Nun halte mal inne“, erregte sich Jurik, „du machst dir zu viel Gedanken.“„Mach ich nicht“, entrüstete sich Orélie, „es gibt das Leid, auch wenn wir es nicht wahr haben wollen, solange es weit von uns entfernt ist. Wir sitzen alle in einem Boot, und der Schmerz in der Welt kann jeden treffen. Albert Camus schreibt in seinem Roman Die Pest, der 1947 veröffentlicht wurde:
„Unsere Mitbürger waren wie jedermann, sie dachten an sich selbst, anders gesagt, sie waren Humanisten: Sie glaubten nicht an Plagen. Eine Plage ist nicht auf den Menschen zugeschnitten, daher sagt man sich, dass sie unwirklich ist, ein böser Traum, der vorübergehen wird. (...)Wie hätten sie an die Pest denken sollen, die Zukunft, Ortsveränderungen und Diskussionen aufhebt? Sie hielten sich für frei, und niemand wird je frei sein, solange es Plagen gibt.“„Ich bin mir im Klaren, dass es Leid aller Art gibt“, erwiderte Jurik, „es kommt mir nur gelegen, wenn du von diesem Roman sprechen willst, denn der Arzt Rieux, der, wie man am Ende erfahren wird, auch der Erzähler der Ereignisse ist und mit dem sich Albert Camus identifiziert, unternimmt von Anfang an alles, um mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Pest und ihre verheerenden Folgen für die Menschen vorzugehen. Die von Camus für seinen Roman gewählte Stadt Oran steht stellvertretend für das von Nazideutschland besetzte Frankreich. In seinen Tagebüchern vom Januar 1942 bis September 1945 schreibt Camus: Ich will mit der Pest das Ersticken ausdrücken, an dem wir alle gelitten haben, und die Atmosphäre der Bedrohung und des Verbanntseins, in der wir gelebt haben. Ich will zugleich diese Deutung auf das Dasein überhaupt ausdehnen. Die Pest wird das Bild jener Menschen wiedergeben, denen in diesem Krieg das Nachdenken zufiel, das Schweigen - und auch das seelische Leiden.” „Nicht nur Rieux, sondern ebenso die anderen Hauptpersonen machen es sich nach und nach zur Aufgabe, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln das über die Stadt hereingebrochene Elend zu bekämpfen und sich den von Tarrou, einem Freund Rieux‘, aufgestellten Sanitätstrupps anzuschließen. So meldet sich auch der Jesuitenpater Paneloux als freiwilliger Helfer, und er sieht es als seine Pflicht an, in der vordersten Reihe seinen Dienst zu tun.
„Camus beschreibt den Pater als einen Mann der Bücher“, fuhr Jurik fort, „Paneloux schreibt auch Artikel für die Zeitschrift der Geographischen Gesellschaft von Oran, und er hat sich bei der wissenschaftlichen Rekonstruktion von Inschriften ausgezeichnet. Das Freidenkertum liegt ihm genauso fern wie jede Art von Obskurantismus. Aber er hat nicht genügend das Röcheln von Sterbenden gesehen und gehört, was sich nach dem Ausbruch der Seuche ändert. Der Pater begegnet nun täglich den Gesichtern von sterbenden Menschen, und er steht dem Hausmeister Monsieur Michel, der das erste Opfer der Pest wird, von Anfang an hilfreich zur Seite. In seiner ersten Predigt nach dem Beginn der Epidemie spricht Paneloux von der Pest als einer schweren Heimsuchung Gottes und fordert daher die Gemeinde zur Buβe und zum Nachdenken auf. Mit Nachdruck sagt er zu den sich vor ihm versammelten Menschen: „ Seit allem Anbeginn der Geschichte wirft die Geiβel Gottes die Hoffärtigen und die Verblendeten zu seinen Füβen nieder. Jawohl, die Stunde des Nachdenkens ist gekommen. Ihr habt geglaubt, es genüge, wenn ihr Gott am Sonntag besucht, um Herr eurer Tage zu sein. Ihr habt geglaubt, ihr könntet mit ein paar Kniefällen eure verbrecherische Sorglosigkeit bei ihm wiedergutmachen. Aber Gott ist nicht lau. Diese lose Beziehung genügte seiner verzehrenden Zuneigung nicht. Er wollte euch länger sehen, das ist seine Art, euch zu lieben, und offen gesagt ist es die einzige Art zu lieben. Des Wartens auf euer Kommen müde, hat er deshalb die Geiβel euch heimsuchen lassen. So schaut ihr seit dem Tag, da diese Stadt ihre Mauern um euch und um die Geiβel geschlossen hat, mit neuen Augen auf die Menschen und die Dinge. Jetzt endlich wisst ihr, dass man zum Wesentlichen kommen muss. Die Zeit ist vorüber, da Ratschläge und eine brüderliche Hand das Richtige waren, um euch zum Guten zu bewegen. Heute ist die Wahrheit ein Befehl. Selbst diese Geiβel, die euch quält, erhebt euch und weist euch den Weg.“
„Pater Paneloux spricht in seiner Predigt von der Pest als einer Geiβel Gottes“, hob Orélie hervor, „und Rieux, der kurze Zeit nach Paneloux‘ Predigt von Tarrou gefragt wird, ob es für ihn irgendeinen Vorzug gebe, dass Menschen auf eine solche Weise zum Nachdenken gezwungen und ihnen die Augen geöffnet werden, schüttelt mit dem Kopf und antwortet:
„Wie alle Krankheiten dieser Welt. Aber was für die Übel dieser Welt gilt, gilt auch für die Pest. Das kann einigen dazu verhelfen, zu wachsen. Wenn man jedoch das Elend und den Schmerz sieht, den die Pest bringt, muss man verrückt, blind oder feige sein, um sich mit ihr abzufinden.“
„Ja“, antwortete Jurik und zitierte einen weiteren von Albert Camus geschriebenen Satz:
„Und natürlich hatte der Schmerz, den diese Unschuldigen erdulden mussten, nie aufgehört, ihnen als das zu erscheinen, was er in der Tat war, nämlich ein Skandal.“
„Hier sollten wir von der Schrift Warum lässt Gott uns leiden? von Karl Rahner sprechen, die sich in seinem Buch Worte vom Kreuz findet”, merkte Orélie an, „Rahner geht darin eingehend auf das Problem des Leids ein und stellt die Frage, ob
„Leid die notwendige Situation ist, in der erst der reife Mensch der Geduld, der Hoffnung, der Weisheit und der Christus-Förmigkeit, heranreifen könne.“
Und Rahner gibt zur Antwort,„dass es unendlich vielfältiges, entsetzliches Leid in der Geschichte der Menschheit gibt, das bei allem guten Willen, es human und christlich zu bestehen, zerstörerisch wirkt, den Menschen einfach überfordert, und das nicht in einen Prozess der Reifung und personalen Bewährung integriert werden kann.”
„Ja“, antwortete Jurik, „und Karl Rahner gibt letztendlich den Rat: „Lebe so, dass das dir und deiner Umgebung auferlegte Leid dich in deiner letzten Haltung auf Gott nicht zerstöre in Verzweiflung hinein.“
„Auch Pater Paneloux macht eine schwere innere Krise durch, da der Sohn des Richters Othon an der Pest erkrankt und stirbt. Noch dazu fährt Rieux ihn wütend an:
„Ah, der hier zumindest war unschuldig, das wissen Sie genau!“
„Schon in seiner ersten Predigt wirft Paneloux die Frage auf, ob Gott den Menschen leiden lasse, um das ewige Leben zu haben”, erwiderte Orélie, „der Pater spricht von jenem köstlichen Schimmer von Ewigkeit als einem Trost. Er sagt: „Von ihm, von diesem Schimmer werden die dämmrigen Wege erhellt, die zur Erlösung führen. Er tut den göttlichen Willen kund, der nie versagend Böses in Gutes verwandelt. Auch heute noch führt er uns über dieses Wandeln im Tod, in Ängsten und Schreien zur wirklichen Stille und zum Ursprung allen Lebens. Das, liebe Brüder, ist der unermessliche Trost, den ich euch bringen wollte, damit ihr nicht nur züchtigende Reden von hier mitnehmt, sondern auch ein tröstliches Wort.” „Aber nach dem Tod des Kindes, sagt Paneloux in seiner Predigt, dass es keinen einleuchtenden Zusammenhang zwischen dem Leiden des Kindes und dem ewigen Leben gibt. Albert Camus schreibt: „Und eigentlich gebe es auf Erden nichts Wichtigeres als das Leiden eines Kindes und das Grauen, das dieses Leiden mit sich bringt, und die Gründe, die man dafür finden muss. Im sonstigen Leben erleichtere Gott uns alles, und bis dahin sei die Religion ohne Verdienste. Hier dagegen treibe er uns in die Enge. So ständen wir zwischen den Mauern der Pest und müssten in ihrem todbringenden Schatten unseren Gewinn finden. Pater Paneloux schlug sogar die Erleichterung bringenden Vorteile aus, die ihm ermöglicht hätten, die Mauer zu erklimmen. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen zu sagen, die Wonnen der Ewigkeit, die auf das Kind warteten, könnten sein Leiden ausgleichen, aber in Wahrheit wusste er nichts darüber. Wer konnte denn behaupten, dass eine ewige Wonne einen Augenblick menschlichen Schmerzes ausgleichen kann? Ganz sicher kein Christ, deren Meister den Schmerz in seinen Gliedern und in seiner Seele empfunden hat. Nein, der Pater würde am Fuße der Mauer stehen bleiben, jener Zerrissenheit getreu, deren Symbol das Kreuz ist, Auge in Auge mit dem Leiden eines Kindes.”.
„Karl Rahner geht in seiner Schrift ebenfalls auf den Verweis auf das ewige Leben ein und schreibt: „Wir Christen sind gewiss die, die in einer tapferen Hoffnung, die nur Gottes Gnade geben kann, Ausschau halten nach dem ewigen Leben ohne Tod, Schmerz und Tränen. Aber dieser Verweis ist keine Antwort auf die Grundfrage „Warum lässt uns Gott leiden?” Denn niemand kann beweisen, dass dieses Leid das absolut notwendige Mittel für dieses ewige Leben sei.”
Und Rahner weist auch auf die leidvolle Geschichte der Menschheit hin, die durch die ewige Seligkeit nicht aufgewogen werden kann. Er schreibt: „Wenn man überdies nicht einfach billig durch das ewige Leben die grauenvolle Geschichte wegwischen lassen kann, als ob sie nie gewesen wäre, dann rechtfertigt eben ein primitiv gedachter künftiger Glückszustand nicht, was vorher an Schrecklichem geschehen ist. Weil das ewige Leben durchaus denkbar ist ohne das Mittel des Leides, kann es zwar als Überwindung des Leides gedacht werden, legitimiert es aber nicht.”
„Es gibt auch die Auffassung“, fuhr Jurik fort, „dass Christen durch das Leid einen Nutzen für sich ziehen und daran reifen können. Pater Paneloux spricht in seiner Predigt, die er nach dem Tod des Kindes hält, noch von einem Gewinn.
„Wahr blieb jedoch, dass es bei allen Dingen immer etwas zu behalten gab. Die grausamste Prüfung war für einen Christen noch ein Gewinn. Und was der Christ im vorliegenden Fall suchen musste, war eben sein Gewinn, und worin der Gewinn bestand und wie man ihn finden konnte.“
Orélie wies darauf hin, dass der Pater in seiner zweiten Predigt jedoch nach keiner Erklärung für die Pest und somit für das Leid sucht. Er hat seinen Zuhörern keine Belehrungen mehr zu geben und spricht sie daher mit „wir“ und nicht wie in seiner ersten Predigt mit „ihr“ an.“
„ Paneloux gibt zu“, hob auch Jurik hervor,
„dass es Dinge gebe, die man im Angesicht Gottes erklären könne, und andere, die man nicht erklären könne“,
und der Tod eines Kindes ist nicht zu verstehen. Doch schreibt Albert Camus, dass für den Pater
„die Religion der Pestzeit nicht die Religion aller Tage sein konnte, und wenn Gott zulassen und sogar wünschen konnte, dass die Seele sich in Zeiten des Glücks ausruhe und erfreue, so wollte er sie maβlos im äuβersten Unglück. Gott erwies seinen Geschöpfen heute die Gnade, sie in ein solches Unglück zu versetzen, dass sie die gröβte Tugend wiederfinden und auf sich nehmen mussten, nämlich die des Alles-oder-Nichts. Liebe Brüder, der Augenblick ist da. Man muss alles glauben oder alles leugnen. Und wer unter euch würde es wagen, alles zu leugnen.“
Von nun an erfüllt Pater Paneloux allein seine Entscheidung für Gott. „Nein, es gab keine Mitte. Wir mussten den Skandal ertragen, weil wir wählen mussten, ob wir Gott hassen oder ihn lieben. Und wer würde es wagen, den Hass auf Gott zu wählen? Die Liebe zu Gott ist eine schwierige Liebe. Sie setzt die völlige Selbstaufgabe und die Missachtung der eigenen Person voraus. Aber sie allein kann das Leiden und den Tod der Kinder wiedergutmachen, sie allein kann sie jedenfalls notwendig machen, weil man sie unmöglich verstehen kann und weil man sie nicht wollen kann. Dies ist die schwierige Lehre, die ich mit euch teilen wollte. Dies ist der in den Augen der Menschen grausame, in den Augen Gottes entscheidende Glaube, dem wir uns nähern müssen. Diesem schrecklichen Bild müssen wir uns angleichen. Auf diesem höchsten Punkt wird alles verwischt und gleichgemacht, wird die Wahrheit aus der scheinbaren Ungerechtigkeit hervorgehen.”
„ Es stellt sich hier die Frage, ob gerade durch äuβerst leidvolle Situationen christliche Tugenden ausgebildet werden können“, sagte Orélie und fuhr fort, „Karl Rahner schreibt hierzu:
„Natürlich sind solche christlichen Imperative unter der schon gegebenen Voraussetzung, dass es Leid gibt, durchaus sinnvoll und heilsam und verweisen mit Recht in die Nachfolge des gekreuzigten Christus. Aber damit ist die Frage, warum Gott uns auch in Leiden leiden lasse, die diese human-pädagogische Funktion gar nicht haben können, und solche gibt es unzählige, nicht beantwortet.Hinzu kommt, dass man sich nüchtern und ehrlich fragen kann, ob denn nicht doch eine weniger leidvolle Situation die Menschheit auch sittlich besser würde reifen lassen. Wie könnte man beweisen, dass wirklich echtes Glück zwangsläufig den Menschen verweichlichen und verderben lassen müsse? Grundsätzlich gesehen ist leidfreie Situation an sich die auch sittlich bessere.“
„Karl Rahner gibt daraufhin zu verstehen”, machte Jurik deutlich,„dass die Frage „Warum lässt Gott uns leiden?“ von einem anderen Ausgangspunkt her betrachtet werden muss. Da Gott das unbegreifliche Geheimnis und der tragende und nicht zu hinterfragende Grund von allem Sein ist, muss auch das Leid von daher bedacht werden. Rahner schreibt „Gott, so bekennt der christliche Glaube, ist das unbegreifliche Geheimnis. Das nie umgreifbare und nie durchschaubare Geheimnis des unendlichen Gottes kann nur im Akt seiner selbstlosen Bejahung unsere Seligkeit sein. Auβerhalb einer solchen Liebe, in der der Mensch sich selbst verlässt, um nie mehr eigentlich zu sich selbst zurückzukehren, wäre nur der Akt eines radikalen Protestes, dass wir selber nicht Gott sind und auch nicht mit ihm fertig werden. Erst die Erkenntnis, die sich selbst in Liebe aufhebt, letztlich nicht mehr aneignet, wie sonst das Erkannte angeeignet wird, sondern übereignet, liebend sich verliert in der Unbegreiflichkeit Gottes und darin und nicht anders ihre Vollendung, ihr eigentliches Wesen erkennt, ist die Erkenntnis, die selig und frei macht, eben indem sie selbstlose Liebe wird, das unbegreifliche Wunder, das zu tun dem Menschen aufgegeben ist. Wenn wir dies bedenken, erscheint unsere Grundfrage unter ganz anderen Aspekten. Ihre bisher festgestellte Unbeantwortbarkeit ist dann nicht mehr der möglichst rasch zu beseitigende Skandal in unserer Existenz, der möglichst deutlich aufgeklärt werden muss, sondern ist ein Moment an der Unbegreiflichkeit, die unser ganzes Dasein durchdringt, herausfordert und für sich beansprucht. Die Unbegreiflichkeit des Leides ist ein Stück der Unbegreiflichkeit Gottes.“
„ Das unschuldige Leid, wie der Tod eines Kindes, ist nicht zu begreifen, und so schreibt Karl Rahner hinsichtlich des Leides von der Unbegreiflichkeit Gottes in seinem Wesen und in seiner Freiheit. In seinem Wesen, weil wir ja trotz der Fürchterlichkeit, der (so könnten wir sagen) Amoralität des Leidens (der Kinder und der Unschuldigen zumindest) die reine Güte Gottes zu bekennen haben, die aber eben nicht vor unserem Tribunal freigesprochen werden muss. In seiner Freiheit, weil auch gerade sie, wenn sie das Leid der Kreatur will, darum unbegreiflich ist, weil die heiligen Ziele dieser das Leid wollenden Freiheit diese Ziele auch ohne das Leid erreichen könnte.” „Es gibt keine Antwort auf das Leid, und alle unsere Annahmen würden nur auf einer Idee beruhen, die wir uns von Gott machen. Und so schreibt Karl Rahner:
„Es gibt kein seliges Licht, das die finstere Abgründigkeit des Leides erhellt, als Gott selbst. Und ihn findet man nur, wenn man liebend ja sagt zur Unbegreiflichkeit Gottes selbst, ohne die er nicht Gott wäre.“
„An die Frage nach dem Leid kann ein Christ ein Gebet anschlieβen“, brachte Jurik zum Ausdruck, „was Karl Rahner in seinem Buch Worte vom Kreuz tut, in dem er die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz veranschaulicht und betet:
„Ich will deine sieben letzten Worte am Kreuz betrachten, deine letzten Worte, bevor du, Wort Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit, auf dieser Erde im Tode verstummtest. Du hast sie mit deinen verdursteten Lippen aus qualerfülltem Herzen gesprochen, diese Herzensworte am Ende von allem. Du hast sie allen gesagt. Du hast sie auch mir gesagt. Lass sie eindringen in mein Herz. Ganz tief. Ganz innerlich. Damit ich sie begreife. Damit sie nicht mehr vergessen werden, sondern leben und Kraft in meinem toten Herzen werden.“
Jurik und Orélie standen einträchtig da und gingen alsdann in Gedanken versunken und ruhigen Schrittes weiter durch den Park. Sie schienen nichts wahrzunehmen als ihre Schritte, und es hatte den Anschein, als würden diese sich im gleichen Takt vorwärtsbewegen.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Der Glaube

RahnerCamus

Orélie kam bei dem Café an. Sie wollte mit Jurik über den Atheismus und den christlichen Glauben sprechen und hierbei Albert Camus und Karl Rahner zu Wort kommen lassen. Sie begannen das Gespräch mit Karl Rahner, der zu seinem Glauben schreibt:
„Ich fange damit an, dass ich mich als Glaubenden vorgefunden habe und mir kein Grund begegnet ist, der mich veranlasste, nicht zu glauben. Ich bin im Bereich des Glaubens getauft und erzogen worden, und so ist der überkommene Glaube auch zum Glauben aus eigener Entscheidung, zu einem eigentlichen, persönlichen Glauben in mir geworden. Wenn einem das Überlieferte das Hohe und Heilige schenkte, wenn es unendliche Fernen eröffnete und einem mit einem absoluten und ewigen Anruf traf, dann mag dies allein als unreflektierte Erfahrung und einfacher Vollzug ohne Arg und Zweifel noch keine aussagbare und reflektierte Begründung dieses Überlieferten als schlechthin wahr vor dem kritischen Gewissen und der fragenden Vernunft bedeuten. Aber eines ist mir bei aller Anfechtung des Glaubens immer deutlich geblieben, hat mich gehalten, indem ich es hielt: die Überzeugung, dass das Ererbte und Überkommene nicht einfach durch die Leere der Alltäglichkeit, der geistigen Stumpfheit, der lichtlosen Skepsis verzehrt werden dürfe, sondern höchstens von dem Mächtigeren, der mich ins unerbittlichere Licht ruft. Wohl war der ererbte Glaube immer auch der angefochtene Glaube. Aber er wurde immer erfahren als derjenige, der mich fragte: „Wollt auch ihr gehen?, und dem man immer nur sagen konnte: „Herr, zu wem soll ich denn gehen?“ Er wurde erfahren als der Glaube, der mächtig und gut war; den ich also höchstens hätte aufgeben dürfen, wenn das Gegenteil erwiesen worden wäre. Aber dieser Beweis ist mir von niemandem und auch nicht von der Erfahrung meines Lebens erbracht worden.“
Jurik sagte darauf:„Ich will dir nun Albert Camus zitieren, der schreibt:„Ich lese oft, ich sei Atheist, ich höre oft von meinem Atheismus reden. Aber diese Worte sagen mir nichts, sie haben keinen Sinn für mich. Ich glaube nicht an Gott und ich bin kein Atheist.” „Albert Camus suchte Gott”, entgegnete Orélie, „so schreibt er in seinem Roman Der erste Mensch von seiner Mutter, der er den Namen Catherine Cormery gab und von Jacques, der er selbst ist: „Was Catherine Cormery anging, so war sie die Einzige, deren Sanftheit an einen Glauben denken ließ, aber eben die Sanftheit war ihr ganzer Glaube. Sie leugnete weder noch stimmte sie zu. Sie sprach nie von Gott. Dieses Wort hatte Jacques in seiner ganzen Kindheit eigentlich nie gehört, und er selbst kümmerte sich nicht darum. Das geheimnisvolle und strahlende Leben genügte, um ihn ganz auszufüllen.” „Und in diesem Roman schreibt er auch von dem Mysterium. Nach den Stunden des Katechismus ließ die Orgel bei der Abendmesse in der Kirche ihn eine Musik vernehmen, „ die ihn in einen intensiveren, tieferen Traum versetzte, der erfüllt war vom Schillern des Goldes im Halbdunkel der priesterlichen Gegenstände und Gewänder, endlich dem Mysterium begegnend, aber einem namenlosen Mysterium, in dem die vom Katechismus genannten und streng festgelegten Gottheiten eine bloße Verlängerung der nackten Welt, in der er lebte, nichts zu tun und nichts zu suchen hatten; das innere und ungenaue herzerwärmende Mysterium, in das er eingetaucht war, vergrößerte nur das tägliche Mysterium des zurückhaltenden Lächelns oder Schweigens seiner Mutter.”
„Wir sollten auch von seinem Essay Der Mythos des Sisyphos sprechen, um Albert Camus‘ Lebensauffassung zu verstehen. Die in der griechischen Mythologie und bei Homer auftauchende Person des Sisyphos war von den Göttern dazu verdammt worden, unentwegt einen Felsblocken einen Berg hinaufzuschieben, und sobald Sisyphos den Gipfel erreicht hatte, rollte der Stein durch sein eigenes Gewicht wieder von selbst hinunter. So befindet sich Sisyphos in einer aussichtslosen Lage. Seine ganze Anstrengung bleibt vergebens, weil all sein Tun zu nichts führt. Deshalb kann er seinem Leben keinen Sinn abgewinnen. Albert Camus beschreibt in diesem Essay die Absurdität des menschlichen Daseins:
„Sisyphos ist der absurde Held. Ebensosehr auf Grund seiner Leidenschaften wie seiner Qual. Seine Verachtung der Götter, sein Hass auf den Tod und sein leidenschaftlicher Lebenswille haben ihm die unsagbare Mater eingebracht, bei der sein ganzes Sein sich abmüht, ohne etwas zu vollenden.“
„Auch Karl Rahner schreibt“, äuβerte sich Orélie, „dass „die Erfahrung des Lebens selber den Menschen einsam werden lässt, wie ins Leere gestellt, seiner Freiheit ausgeliefert und dieser dennoch nicht versichert, wie umgeben von einem unendlichen Meer der Finsternis und von einer ungeheuren Nacht, in der man sich immer nur von einer Vorläufigkeit zur anderen rettet, brüchig, arm, vom Schmerz seines Endlichkeits-Daseins durchbebt.“
„Das ist richtig, doch lass uns zuerst einmal bei Albert Camus‘ Essay verweilen, damit klar wird, warum Sisyphos trotz seiner sinnberaubten Arbeit mit dem Stein ein glücklicher Mensch sein kann. Camus sagt am Ende seiner Schrift: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.” So misst Albert Camus der Rückkehr seines Helden von dem Gipfel des Berges einen besonderen Stellenwert bei, denn in den Augenblicken, in denen er von dem Felsen hinabsteigt, wird Sisyphos sich seiner sinnlosen Situation bewusst.
Albert Camus schreibt:
„Auf diesem Rückweg, während dieser Pause interessiert mich Sisyphos. Ein Gesicht, das sich so nahe dem Stein abmüht, ist selbst bereits Stein! Ich sehe, wie dieser Mann schwerfälligen, aber gleichmäβigen Schrittes zu der Qual hinuntergeht, deren Ende er nicht kennt. Diese Stunde, die gleichsam ein Aufatmen ist und ebenso zuverlässig wiederkehrt wie sein Unheil, ist die Stunde des Bewusstseins.“

„Die Bewusstwerdung beinhaltet zwar die Tragik, denn Sisyphos wird sich seiner absurden Situation bewusst”, sagte Orélie, „doch sind für Albert Camus das Absurde und das Glück, wie er schreibt,
„ Kinder ein und derselben Erde. Sie sind untrennbar. Ein Irrtum wäre es, wollte man behaupten, dass das Glück zwangsläufig der Entdeckung des Absurden entspringe. Ebensogut kommt es vor, dass das Gefühl des Absurden dem Glück entspringt.“
„Albert Camus macht das Absurde zu einer Sache des Menschen. Es wird zu seiner Aufgabe, der er sich stellen muss. Camus schreibt:
„ Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache.“
Und von da an hört er auch die leisen Stimmen der Erde, die eine Antwort von ihm verlangen. Der absurde Mensch bejaht sein Dasein und setzt sich mit ihm auseinander. Hierhin vollbringt er die stetige Anstrengung und Leistung, sich in der absurden, in Nacht gehüllten Welt, zu behaupten.
„Ja”, antwortete Jurik, „Sisyphos steigt wieder den Felsen hinab und wendet sich seinem Stein zu, der sein Dasein ausmacht. Camus schreibt:
„Er betrachtet die Reihe unzusammenhängender Handlungen, die sein Schicksal werden, als von ihm geschaffen, vereint unter dem Blick seiner Erinnerung und bald besiegelt durch den Tod. Derart überzeugt vom ganz und gar menschlichen Ursprung alles Menschlichen, ein Blinder, der sehen möchte und weiβ, dass die Nacht kein Ende hat, ist immer unterwegs. Noch rollt der Stein.“

„Sisyphos wird sich der Absurdität des Lebens bewusst und überwindet sie, indem er mit Freude alle Möglichkeiten seines Daseins ausschöpft. Auch wenn sein Tun und die Welt um ihn herum sinnlos bleiben, ist alles gut. Camus schreibt:
„Dieses Universum , das nun keinen Herrn mehr kennt, kommt ihm weder unfruchtbar noch wertlos vor. Jeder Gran dieses Steins, jedes mineralische Aufblitzen in diesem in Nacht gehüllten Berg ist eine Welt für sich. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen. “
„In seinem Roman Die Pest erklärt der Arzt Rieux, mit dem sich Albert Camus identifiziert, warum er nicht an Gott glaubt”, fuhr Jurik fort, „er spricht nicht von Gewissheiten, sondern bringt seine schmerzlichen Erfahrungen des menschlichen Daseins zum Ausdruck. Ich zitiere dir aus diesem Gespräch, das Rieux mit seinem Freund Tarrou führt: „Glauben Sie an Gott, Herr Doktor?”
Wieder war die Frage unbefangen gestellt. Aber diesmal zögerte Rieux. „Nein, aber was besagt das? Ich tappe im Dunkeln und versuche Klarheit zu finden. Ich habe schon lange aufgehört, das originell zu finden.” „Gut”, sagte Tarrou. „Warum zeigen Sie selbst so viel Aufopferung, wenn Sie nicht an Gott glauben?” Ohne aus dem Schatten herauszutreten sagte der Arzt, er habe schon geantwortet. Wenn er an einen allmächtigen Gott glaubte, würde er aufhören, die Menschen zu heilen und würde diese Sorge ihm überlassen. Aber niemand auf der Welt glaube an einen solchen Gott, da niemand sich völlig hingebe, und zumindest darin glaube er auf dem Weg der Wahrheit zu sein, indem er gegen die Schöpfung, so wie sie war, ankämpfe. „Ach, das ist also die Vorstellung, die Sie sich von Ihrem Beruf machen? ” „Ja”, sagte der Arzt, „Sie denken, dass dazu Stolz nötig ist. Aber ich habe nicht mehr als den nötigen Stolz. Vorerst sind da die Kranken, und sie müssen geheilt werden. Danach werden sie nachdenken und ich auch. Aber das Dringendste ist, sie zu heilen. Ich verteidige sie, so gut ich kann, das ist alles.”
„Gegen wen?” Rieux wandte sich zum Fenster. An einer dichteren Dunkelheit des Horizonts erahnte er in der Ferne das Meer. Er spürte nur seine Müdigkeit und kämpfte gleichzeitig gegen einen plötzlichen, unsinnigen Wunsch, sich diesem eigenartigen, aber,wie er fühlte, brüderlichem Mann etwas mehr anzuvertrauen. „Ich habe keine Ahnung, Tarrou, ich schwöre Ihnen, dass ich keine Ahnung habe. Als ich diesen Beruf ergriffen habe, geschah es gewissermaßen abstrakt, weil ich einen brauchte, weil es eine Stellung wie alle anderen war, eine von denen, die junge Leute sich zum Ziel setzen. Und dann musste man sterben sehen. Wissen Sie, dass es Leute gibt, die sich weigern zu sterben? Haben Sie je eine Frau im Sterben „Niemals!” schreien hören? Ich schon. Und dann ist mir klargeworden, dass ich mich nicht daran gewöhnen konnte. Ich war jung, und mein Ekel glaubte sich gegen die Weltordnung selbst zu richten. Seitdem bin ich bescheidener geworden. Nur habe ich mich immer noch nicht daran gewöhnt, sterben zu sehen. Mehr weiß ich nicht. Aber schließlich...” „Schließlich?”, sagte Tarrou leise. „Schließlich...”, fuhr der Arzt fort, zögerte wieder und sah Tarrou aufmerksam an, „ist es etwas, was ein Mann wie Sie verstehen kann, nicht wahr, aber da die Weltordnung durch den Tod bestimmt wird, ist es für Gott vielleicht besser, dass man nicht an ihn glaubt und mit aller Kraft gegen den Tod ankämpft, ohne die Augen zu diesem Himmel zu erheben, in dem er schweigt.”
„Ja, das kann ich verstehen”, stimmte Tarrou zu. „Aber Ihre Siege werden immer vorläufig sein, das ist alles.” Rieux schien sich zu verdüstern.„Immer, das weiß ich. Das ist kein Grund, den Kampf aufzugeben.” „Nein, das ist kein Grund. Aber ich kann mir jetzt vorstellen, was diese Pest für Sie bedeuten muss.” „Ja”,sagte Rieux.„Eine Niederlage ohne Ende.”
„Wer hat Ihnen das alles beigebracht, Herr Doktor?”
Die Antwort kam sofort:„Das Elend.”


„Karl Rahner nimmt diese von Albert Camus zum Ausdruck gebrachten Argumente ernst”, sagte Orélie darauf, „aber er stellt die Frage: „Woher weiß er, dass niemand aus diesem Purgatorio oder Inferno mehr herauskommen kann? Woher weiß er, dass es nicht die Kraft gibt, dies alles zu erfahren und doch zu glauben?”
Und so schreibt Rahner von dem Schwert des Glaubens : „Glaube ist es, wenn wir den Stoß des Schwertes in unser Dasein annehmen: das Schwert der Frage, die keine Antwort mehr findet, das Schwert, dass alles Leben in seinem Schmerz im Tode endet, das Schwert, dass nicht einmal die Liebe in diesem Leben alle Widersprüche auflöst, das Schwert, dass alles erreichte Ziel sich wieder in einen Anfang verwandelt, das Schwert der Abschiede, der Enttäuschungen, des Altwerdens, der Torheiten, die wir begehen.” „Und so schreibt Karl Rahner:
„Das eigentliche Argument gegen das Christentum ist die Erfahrung des Lebens: diese Erfahrung der Finsternis; diese letzten Erfahrungen des Daseins, die den Geist und das Herz finster, müde und verzweifelt machen. Aber – eben diese Erfahrung ist auch das Argument des Christentums. Denn was sagt das Christentum, was verkündigt es? Es sagt nichts anderes als: das Geheimnis bleibt immer Geheimnis; dieses Geheimnis will sich aber als das Unendliche, Unbegreifliche, Unaussagbare, Gott genannt, als sich schenkende Nähe in absoluter Selbstmitteilung dem menschlichen Geist, mitten in der Erfahrung seiner menschlichen Leere, erschlieβen.“
„Ja“, antwortete Jurik, „und Karl Rahner räumt auch ein, dass es für einen Menschen schwer ist, zu glauben, dass dieses unbegreifliche und unendliche Geheimnis Nähe und Liebe ist. Er schreibt:
„Dass dieses radikale Geheimnis Nähe und nicht Ferne ist, Liebe und nicht verstossendes Gericht, das zu glauben fällt dem Menschen schwer; es mag das Licht sein, das uns finsterer vorkommt als unsere eigene Finsternis. Aber schenkt es nicht so viel Licht, so viel Freude, so viel Liebe, so viel Herrlichkeit in der Welt des Glaubens, dass man sagen kann: all das erklärt sich nur von einem absoluten Licht, einer absoluten Liebe und Herrlichkeit, von einem absoluten Sein her – wenn wir auch nicht begreifen, wie es diese unsere Finsternis und Nichtigkeit geben könne, wenn es die unendliche Fülle, sei es auch als Geheimnis, gibt.“

„Wenn du an das unbegreifliche Geheimnis, Gott genannt, glaubst, sind dir die Fragen und Antworten, die Albert Camus stellt und gibt, lieb und teuer. Karl Rahner schreibt:
„Denn das Christentum verwirft ja nicht dieses oder jenes, fühlt sich auch nicht als Gegensatz und Verneinung von noch gar nicht ausgedachten Möglichkeiten des Menschen, die einmal in einer zeitlichen Zukunft kommen können, freilich immer als einzelne in Raum und Zeit, gebaut aus dem endlichen „Stoff“, der materiell und geistig den Menschen zur Verfügung steht und stehen wird. Das Christentum sagt nur, dass über diese einzelnen und endlichen, schon verwirklichten oder geplanten oder noch nicht einmal erdachten Möglichkeiten hinaus dem einzelnen Menschen und der Gesamtgeschichte der Menschheit eine unendliche, schon offene Wirklichkeit angeboten ist, die schon längst, ja schon immer real ist, die nicht erst gemacht, sondern durch die Freiheit einer unbedingten Liebe erreicht werden muss und Gott heiβt. Nur, wo der Mensch diese Unaussprechlichkeit des ihn umfassenden und von ihm nicht umfassten Sinnes und damit auch seiner eigenen Existenz annimmt, zulässt und in Liebe sich ihr ausliefert, hat er sein wahres Wesen gefunden und angenommen. Er nimmt den totalen Sinn nicht als einen von ihm beherrschten an, sondern lässt sich von ihm überwältigen. Diese Nähe hat sich nicht nur in dem, was wir Gnade nennen, ereignet, sondern auch geschichtlich greifbar in dem, den wir den Gottmenschen nennen.“ Gottes unermessliche Liebe nahm in Jesus Christus Gestalt und Wirklichkeit an.
Und so schreibt Karl Rahner:
„Gott ist nahe, sein ewiges Wort des Erbarmens ist da, wo wir sind; es pilgert unsere Wege, es kostet unsere Freude und unser Elend, es lebt unser Leben und stirbt unseren Tod. Es hat lind und leise sein ewiges Leben in diese Welt und in ihren Tod eingesenkt. Es hat uns erlöst, da es unser Los teilte. Es hat unsern Anfang zu seinem gemacht, unsern Schicksalsweg betreten und ihn so offen gemacht in die unendlichen Weiten Gottes. Und da es uns unaufhebbar annahm, da das Wort Gottes nie mehr aufhört, Mensch zu sein, darum ist dieser Anfang, der unser und seiner ist, ein Anfang unzerstörbarer Verheiβungen, ist dieser nächtlich stille Anfang eine Heilige Weihenacht.“

Sonntag, 20. Juni 2010

Das Absurde

Weizenfeld3

Marwin traf bei Orélie zum Kaffeetrinken ein und erzählte ihr von einem Ausflug in das kleine Dorf, in dem er seine Kindheit verbracht hatte.„Als ich aus den kühlen und dunklen Schatten des Waldes heraustrat, blickte ich um mich herum und betrachtete den lichten Horizont. Ein Gefühl der Weite befiel mich. Ich blieb stehen, und das Geheimnis der Schöpfung klopfte in meinem Innern an. Ringsum blieb alles stumm." Orélie fühlte sich in seine Erzählung ein, und Marwin fuhr zu sprechen fort. „Die Geschichte eines Farmers in Südamerika oder sonst wo auf der Welt kam mir in den Sinn. Eines seiner zahlreichen Schafe war von einer Wildkatze zerfleischt worden, aber er machte sich nichts weiter daraus, denn auf eines mehr oder weniger kam es ihm nicht an. Der Kampf ums Dasein, mit dem der eine oder andere Verlust in Kauf genommen wird, war ihm zur Gewohnheit geworden. Ich dachte dabei an das Gleichnis vom verlorenen Schaf im Lukasevangelium, wo Jesus von einem Hirten erzählt, dem eines seiner hundert Schafe abhanden gekommen war. Er machte sich auf den Weg und suchte so lange bis er es fand. Das von dannen gegangene Schaf wurde von dem Hirten nicht im Stich gelassen, und als er es nach Hause brachte, rief er seine Freunde und Nachbarn, und es herrschte Fröhlichkeit. Seine Freude über das wiedergewonnene Schaf war unendlich.“ Orélie nickte zustimmend und fügte hinzu: „Im Johannesevangelium bezeichnet sich Jesus als der gute Hirte, der sein Leben für die Schafe lässt. Viele hier von Jesus gemachten Selbstaussagen beginnen mit: „Ich bin“, zu dem Karl Rahner schreibt: „Es ist ein uraltes Bild, das Jesus gebraucht, in einer der vielen johanneischen Selbstaussagen Jesu, die alle beginnen mit dem unergründlichen: Ich bin. Das Bild kommt aus der patriarchalisch-vaterrechtlichen, nomadischen Hirtenkultur: Der eigentliche Hirt ist als Herdenbesitzer darin einfach identisch mit dem Herrn, auf den das Dasein aller gegründet ist.” Und Rahner schreibt weiter: „So wie Gott dem Moses sich als der „Ich bin, der ich bin“ offenbart, so ist Jesus einfach der „Ich bin“, Gott, der in der unbeherrschbaren Ursprünglichkeit und Unableitbarkeit seiner Wirklichkeit da ist, und als solcher sich kundtut: Ich bin. Ich bin alles: der Anfang und das Ende, der Weg und das Licht, die Wahrheit und das Leben, der Getötete und der Sieg über den Tod. Christus macht uns vom Geheimnis seines „Ich bin“ her klar, was der eigentliche Hirt ist. Weil er ist, darum gibt es einen, dem all das Zerstreute und Verlaufende gehört, einen, der alles weiβ, was so leer, zerstreut, sinnlos und lichtlos durcheinanderläuft, einen, den die letzte Ahnung dieser selbst in der Zerstreuung noch versammelten Wirklichkeit doch noch kennt, einen, der sich opfernd in diese Zerstreuung hinein begibt bis in die Verlorenheit des Todes und so die Sammlung der Zerstreuten erwirkt, einen, der alles einen kann.“
Marwin stand auf, trat ans Fenster und schaute hinaus. Dann setzte er sich wieder hin und sagte: „Warum ist der Glaube heutzutage so schwer?”
„Du solltest nicht vergessen“, antwortete Orélie, „dass es für den Glauben nur zuträglich ist, wenn gefragt wird. Karl Rahner schreibt in einer Einführung zu einer theologischen Meditation: „Der fragende Glaube, der immer wieder sein Unverstehen bekundet und die unvollendbare Aneignung der gehörten Botschaft immer neu erleidet, ist der wahre Glaube. So muss dieser Glaube als in die Frage gestellter Glaube bedacht werden, weil er nur verantworteter Glaube ist, wenn er die Frage als inneres Moment an sich trägt, immer mehr in sich integriert und ihr nicht bloβ im Sinne einer äuβeren Bedrohung gegenübertritt. Hartes, nüchternes, bohrendes – wenn es sein muss – Fragen ist schon ein Akt der Frömmigkeit, die dem geistig wachen Christen geboten ist.“
„Und was machen wir mit dem absurden Menschen, über den Albert Camus in seinem Essay Der Mythos des Sisyphos in dem Kapitel Der absurde Mensch schreibt: „Ich habe Leute gesehen, die mit viel Moral Böses taten, und ich stelle täglich fest, dass die Anständigkeit keiner Regeln bedarf. Der absurde Mensch kann nur eine Moral gelten lassen - die Moral, die sich nicht von Gott trennt: die diktiert wird. Aber er lebt ja gerade außerhalb dieses Gottes.” „Doch woher will er wissen, dass er außerhalb dieses Gottes lebt”, erwiderte Orélie, „in einer Meditation über das Wort „Gott” schreibt Rahner: „Man hat nämlich von Gott keine Erfahrung wie von einem Baum, einem anderen Menschen und ähnlichen „äuβeren“ Wirklichkeiten, die, wenn sie vielleicht auch nie schlechthin wortlos da sind, doch auch ihr Wort durch sich selbst erzwingen, weil sie in unserem Erfahrungsraum an einer bestimmten Raum-Zeit-Stelle einfach vor-kommen. Deshalb kann man sagen, das Einfachste und Unausweichliche in der Gottesfrage ist für den Menschen die Tatsache, dass in seinem geistigen Dasein das Wort „Gott” gegeben ist.“
„Ja“, antwortete Marwin, „ und das Wort „Gott“ wird auch von Atheisten gebraucht, natürlich mit der Absicht, Gott als nicht existent zu erklären und letzten Endes dieses Wort zum Verschwinden zu bringen. Aber wie Karl Rahner schreibt: „müsste ein Atheist zu diesem Verschwinden dadurch beitragen, dass er es selber totschweigt, sich nicht einmal als Atheist erklärt. Aber wie will er das machen, wenn andere, mit denen er reden muss, aus deren Sprachfeld er gar nicht definitiv ausziehen kann, von Gott sprechen und um dieses Wort sich kümmern?“
„Und zu diesem Wort schreibt Rahner: „Es ist nicht so, dass wir zunächst einmal, je als Einzelne aktiv handelnd, „Gott“ denken, und das Wort „Gott“ so zum ersten Mal in den Raum unseres Daseins einrücken.“ „Und daher meint das Wort „Gott“: „der Unsagbare, der Namenlose, der nicht in die benannte Welt als ein Moment an ihr einrückt; das Schweigende, das immer da ist und doch immer übersehen, überhört und, weil es alles im Ganzen und Einen sagt, als Sinnloses übergangen werden kann.“
„So ist es das Wort „Gott””, machte Orélie deutlich,„das wie Rahner schreibt: „den Menschen vor das eine Ganze der Wirklichkeit als solcher und vor das eine Ganze seines Daseins als solchem bringt. Gäbe es das Wort „Gott“ wirklich nicht, würde der Mensch sich restlos vergessen über das je einzelne an seiner Welt und in seinem Dasein. Er würde nicht einmal ratlos, schweigend und bekümmert vor das Ganze von Welt und Selbst geraten. Er würde nicht mehr merken, dass er nur einzelnes Seiendes, aber nicht das Sein überhaupt bedenkt, dass er nur immer neu einzelne Momente seines Daseins manipuliert, sich aber nicht mehr seinem Dasein als Einem und Ganzem stellt. Er würde in der Welt und in sich steckenbleiben, aber nicht mehr jenen geheimnisvollen Vorgang vollziehen, der er ist. Er hätte das Ganze und seinen Grund vergessen. Was wäre dann? Wir können nur sagen: Er würde aufhören ein Mensch zu sein.“ „Und in seiner Schrift Erfahrung des Geistes schreibt Karl Rahner: „In der namenlosen und weglosen Weite unseres Bewusstseins wohnt der, den wir Gott nennen. Das Geheimnis schlechthin, das man Gott nennt, ist nicht ein besonderes, besonders eigentümliches gegenständliches Stück Wirklichkeit, das wir zu den übrigen Wirklichkeiten unserer nennenden und ordnenden Erfahrung hinzufügen und einfügen; er ist der umfassende, nie umfasste Grund und die Voraussetzung von unserer Erfahrung und von deren Gegenständen. Er wird in dieser unheimlichen Transzendenzerfahrung erfahren.”
„Auch Albert Camus hebt in seinen Werken hervor, „dass ein Mensch ratlos, schweigend und bekümmert vor das Ganze von Welt und Selbst gerät.“ Und er schreibt:
„Das Elend hinderte mich daran, zu glauben, dass unter der Sonne und in der Geschichte alles gut ist; die Sonne lernte mich, dass die Geschichte nicht alles ist.“
Zu Beginn seines philosophischen Essays Der Mythos des Sisyphos stellt Camus die Frage nach dem Selbstmord, den ein Mensch begeht, weil er das Leben als nicht lebenswert empfindet, da es ihm keinen Sinn gibt. Das Leben ist absurd, und die einzige Gewissheit ist die, dass nichts gewiss ist. Doch bleibt Albert Camus hier nicht stehen, sondern geht der Frage des Absurden und des Selbstmordes weiter nach und stellt fest, dass das Leben um so besser gelebt werden wird, wenn der Mensch das Absurde nicht verdrängt, sondern es sich bewusst macht und ganz auslebt. Camus schreibt:
„Eine Erfahrung, ein Schicksal leben heißt: es ganz und gar auf sich nehmen. Man wird aber dieses Schicksal, von dem man weiß, dass es absurd ist, nicht leben, wenn man nicht alles tut, um vor sich selbst, das vom Bewusstsein zutage geförderte Absurde aufrechtzuerhalten.“
„Der Mensch wird ein bewusst Revoltierender, der seinem Schicksal, in einer ihn belastenden absurden Welt zu leben, nicht ausweicht, sondern sich permanent dagegen auflehnt. Albert Camus versteht unter Auflehnung nichts Revolutionäres, er schreibt: „Eine der wenigen philosophisch kohärenten Positionen ist demnach die Auflehnung. Sie ist eine ständige Konfrontation des Menschen mit seiner eigenen Dunkelheit. Sie ist der Anspruch auf eine unmögliche Transparenz. Sie stellt die Welt in jeder Sekunde in Frage. Wie die Gefahr dem Menschen die unersetzliche Gelegenheit verschafft, sich der Auflehnung zu bemächtigen, so lässt die metaphysische Auflehnung des Bewusstseins sich über die ganze Erfahrung ausbreiten. Sie ist die ständige Anwesenheit des Menschen bei sich selbst. Sie ist kein Sehnen, sie ist ohne Hoffnung. Diese Auflehnung ist nichts als die Gewissheit eines erdrückenden Schicksals, weniger die Resignation, die es begleiten sollte.“
„Für den absurden Menschen”, antwortete Marwin, „gibt es weder eine Erklärung noch eine Hoffnung, sondern eine Entzweiung, der er sich bewusst ist. Albert Camus schreibt: „Ebendiese so lächerliche Vernunft setzt mich in Widerspruch zur ganzen Schöpfung. Ich kann sie nicht mit einem Federstrich abtun. Was ich für wahr halte, daran muss ich festhalten. Was mir so evident erscheint, auch gegen mich selbst, muss ich aufrechterhalten. Und was ist der Kern dieses Konflikts, dieses Bruchs zwischen der Welt und meinem Geist, wenn nicht das Bewusstsein, das ich von ihm habe? Wenn ich also an ihm festhalten will, dann nur durch ein beständiges, immer wieder neues, stets angespanntes Bewusstsein. Daran muss ich mich zunächst halten. Mit diesem Augenblick tritt das Absurde, das so evident und gleichzeitig so schwer fassbar ist, ein in das Leben eines Menschen und wird dort heimisch.”„In dieser Welt gibt es keinen Sinn, sie bleibt für unseren Geist ein Rätsel. Aber auch wenn es keine Antwort und genauso wenig eine Lebensregel für den absurden Menschen gibt, muss er das Absurde akzeptieren. In diesem seinem Bewusstsein verhaftet, bleibt für Albert Camus der absurde Zustand die ständige Herausforderung, die eine logische Folgerung, die zum Selbstmord führt, ausschließt, da der Mensch mit einer solchen Tat der sinnentbehrten Welt seine Zustimmung geben würde, anstatt sie zu leben. Albert Camus schreibt: „Der Selbstmord ist ein Verkennen. Der absurde Mensch hat nur die eine Möglichkeit, alles auszuschöpfen und sich selbst zu erschöpfen. Das Absurde ist seine äußerste Anspannung, die er beständig mit einer unerhörten Anstrengung aufrechterhält, denn er weiß: in diesem Bewusstsein und in dieser Auflehnung bezeugt er Tag für Tag seine einzige Wahrheit, die Herausforderung.“
„In seinem späteren Werk Der Mensch in der Revolte schreibt Albert Camus hierzu:„Der letzte Schluss der absurden Argumentation ist in der Tat die Verwerfung des Selbstmordes und die Erhaltung jener hoffnungslosen Kluft zwischen der Frage des Menschen und dem Schweigen der Welt. Der Selbstmord käme der Schließung dieser Kluft gleich, und die absurde Überlegung ist der Ansicht, dem nur zustimmen zu können, wenn sie ihre eigenen Prämissen verleugnet. Eine solche Schlussfolgerung wäre, von ihr aus gesehen, Flucht oder Selbstbefreiung. Aber es ist klar, dass im gleichen Zug diese Überlegung das Leben als das einzig notwendige Gut anerkennt, weil gerade es diese Kluft erzeugt.” „Und so sieht Camus in dem Selbstmörder auch das genaue Gegenteil des zum Tod verurteilten Menschen, da diesem seine Freiheit weggenommen worden ist, dem Absurden zu trotzen“, hob Orélie hervor, „der Mensch muss sich dem Absurden stellen, diese Disziplin muss er sich auferlegen, um bei sich selbst anzukommen. Das Denken macht dem Menschen das Absurde bewusst, und Albert Camus zieht daraus als einzige Konsequenz, in dem Zustand des Absurden zu leben. Er schreibt: „Ich will wissen, ob ich mit dem, was ich weiß, und nur damit leben kann.” „Und da er sich Gott nicht begreiflich machen kann, kommt er zu dem Schluss: „Ich verstehe nicht, was eine Freiheit sein kann, die mir von einem höheren Wesen geschenkt wird. Ich habe den Sinn für Hierarchie verloren.“ „Und Camus schreibt auch: „Zwischen der Geschichte und dem Ewigen habe ich die Geschichte gewählt, weil ich Gewissheiten liebe. Entweder hat diese Welt einen höheren Sinn, der ihre Geschäftigkeit überdauert, oder allein diese Geschäftigkeit ist wahr. Ich weiß, dass man Kompromisse machen und sowohl in der Zeit leben wie an die Ewigkeit glauben kann. Das nennt man akzeptieren. Wenn ich die Aktion wähle, so glaubt nicht, die Kontemplation wäre mir fremd. Doch sie kann mir nicht alles geben, und da ich der Ewigkeit beraubt bin, will ich mich mit der Zeit verbünden.“ „Das Ausbleiben Gottes in der Welt, ist schwer zu leben”, sagte Marwin darauf, „Karl Rahner beschreibt trefflich wie gerade glaubende, an Gott sich wendende und nach seinem Licht Ausschau haltende Menschen die Gottesferne erleben: „Sie können und müssen oft erfahren, was gemeint ist: dass Gott ihnen wie das Unwirklichste vorkommt, dass er stumm ist und abweisend schweigt, als umfasse er unser Dasein nur wie ein leerer, ferner Horizont, in dessen wegloser Unendlichkeit unsere Gedanken und die Forderungen unseres Herzens sich ausweglos verlaufen. Gott scheint uns nur jene wesenlose, unzugängliche Unendlichkeit zu sein, die zu unserer Qual das bisschen Wirklichkeit noch endlicher und fragwürdiger erscheinen lässt und uns selbst in unserer Welt noch heimatlos macht, weil sie uns verführt zur Maßlosigkeit einer Sehnsucht, die wir selbst nie erfüllen können, und die auch ER nicht zu erfüllen scheint.“
„Ja“, stimmte Orélie bei, „Gott schweigt, anstatt sich uns darzutun. Wir warten, dass er uns eine Kunde gibt, aber sie bleibt aus. Doch bin ich mir zugleich bewusst, dass ich mir Gott nicht aneignen kann und bei solchen Versuchen nur auf meine eigenen Götzen stoßen würde, die ich mir selber geschaffen habe. Und wenn die Kunde Gottes auch ausbleibt, brauche ich in dieser meiner Notlage nicht zu verzweifeln. Karl Rahner schreibt:
„Denn, wenn Du standhältst, die Verzweiflung nicht fliehst und in der Verzweiflung an Deinem bisherigen Götzen, den Du Gott nanntest, nicht auch an dem wahren Gott verzweifelst, wenn Du also standhältst, dann wirst Du plötzlich inne werden, dass Dein Grabeskerker nur sperrt gegen die nichtige Endlichkeit, dass seine tödliche Leere nur die Weite einer Innigkeit Gottes ist, dass das Schweigen erfüllt ist von einem Wort ohne Worte, von dem, der über allen Namen und alles in allem ist. Das Schweigen ist Sein Schweigen. Es sagt Dir, dass Er da ist.“
„Als Christen in unserer Zeit müssen wir mit der Gottesferne zurechtkommen, was für uns heißt, sie demütig zu akzeptieren. Nur so können wir ein gläubiges Vertrauen zu dem wahren und unbegreiflichen Gott herstellen. Und dann kannst du erfahren, wie Karl Rahner schreibt,
„dass Deine Ausweglosigkeit nur die Unermesslichkeit Gottes ist, zu dem es keine Wege braucht, weil Er schon da ist. Du wirst merken, dass du nicht versuchen sollst, in eigener Vollmacht aus Deinem leeren Herzen zu fliegen, weil Er ja da ist und es so keinen Grund geben kann, aus dieser gebendeiten Verzweiflung in einen Trost zu fliehen, der keiner wäre und den es nicht gibt. Er ist da. Suche nicht, Ihn festzuhalten. Er flieht nicht. Suche nicht Dich zu vergewissern und Ihn mit den Händen Deines gierigen Herzens zu betasten. Du würdest nur ins Leere greifen, nicht weil Er fern und unwirklich, sondern weil Er die Unendlichkeit ist, die nicht ergriffen werden kann. Dann kommt von selbst die Ruhe, die lauterste Tätigkeit ist, die Stille, die von Gottes Wort erfüllt ist, das Vertrauen, das nicht mehr fürchtet, die Sicherheit, die keiner Versicherung mehr bedarf, und die Kraft, die in der Ohnmacht mächtig ist: das Leben also, das im Tode aufgeht. Dann ist nichts mehr in uns als Er, und der schier unmerkliche und doch alles erfüllende Glaube, dass Er ist, da ist, und wir sein.“
Orélie und Marwin sahen sich schweigend an. Schon seit langem hatten sie zu diesem Theologen gefunden, weil er es verstand, ihnen Gott trotz seiner Unbegreiflichkeit nahe zu bringen. Sie verweilten noch eine Weile in Stille.


Das absurde Denken
Das Engagement
Der Atheismus
Der Fall
Der Tod
Die Freiheit
Die Geschichte
Die Gnade
Die Gottesferne
Die Pest
Die Revolte
Einleitung
Jesus Christus
Zeitungsartikel
Zwischen Ja und Nein
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren